zum Hauptinhalt

Sport: Der Schuldige

Frankreich ist sauer auf Trainer Jacques Santini

Den Franzosen ist der Appetit vergangen. Das EM-Menü für schlappe 25 Euro mit dem Zidane-Steak und dem Henry-Dessert wurde von der Speisekarte eines kleinen Pariser Restaurants gestrichen – ersatzlos. Vor dem Hotel de Ville, wo sich die Franzosen versammelt hatten, um den Einzug ihrer Equipe ins Halbfinale zu bejubeln, kam es nach dem Scheitern ihrer Mannschaft gegen Griechenland zu Ausschreitungen, einige Enttäuschte wurden verhaftet. Und an alldem scheint ein Mann Schuld zu haben. Ein Mann, von dem vehement verlangt wird, die Verantwortung für das erneute Debakel auf sich zu nehmen.

Dieser Mann heißt Jacques Santini und war bis Freitagabend Trainer der Equipe Tricolore. Rein statistisch war er kein schlechter: 28 Spiele, 22 Siege, vier Unentschieden und zwei Niederlagen. Im Fußballgeschäft aber eine zu viel. Jetzt konzentriert sich beinahe alle Wut und Enttäuschung auf ihn. Er habe die Mannschaft taktisch falsch aufgestellt, zu lange an alten Spielern festgehalten und den jungen keine Chance gegeben, er habe die tatsächliche physische Verfassung seiner Spieler verschwiegen und so weiter. Sein größter Fehler sei aber gewesen, schon am 3. Juni im Trainingslager vor der EM seinen Wechsel nach Tottenham bekannt gegeben zu haben. Danach habe Santini keinen Biss und keinen Ehrgeiz mehr gehabt.

Nun läuft die komplizierte Suche nach einem Nachfolger. Dabei geht es auch um persönliche Interessen und Macht. Im Januar 2005 muss der französische Fußballverband (FFF) einen neuen Präsidenten wählen, und der Wahlkampf ist in vollem Gange. Claude Simonet, amtierender FFF-Präsident, weiß noch nicht, ob er noch ein drittes Mal kandidieren wird. Aber die Entscheidung, wer neuer Coach wird, die will er auf jeden Fall noch treffen. „Ich bin derjenige, der am Ende entscheidet“, stellt er klar und spricht damit vor allem die französische Fußballikone Michel Platini an. Der Europameister von 1984 ist einflussreich und spielt eine entscheidende Rolle bei der Suche nach einem neuen Präsidenten und einem neuen Trainer. Laurent Blanc, Weltmeister von 1998, ist Simonets Favorit. Platini hätte dagegen gerne Jean Tigana, seinen Mannschaftskollegen aus den Achtzigerjahren. Laurent Blanc genießt einen guten Ruf, hat aber noch keine Erfahrungen im Trainergeschäft. Tigana dagegen schon. Er trainierte Olympique Lyon, Monaco und Fulham, allerdings ist er wegen seines schwierigen Charakters umstritten.

Die Diskussion um Santinis Nachfolge ist jedoch nicht das Einzige, was die Nation bewegt. Frankreich ist nach Griechenland die älteste Mannschaft im Turnier gewesen, zwangsläufig stellt sich die Frage, was mit Zidane, Lizarazu, Thuram, Barthez und Co passiert. „Das ist das Ende der Generation Aimé Jacquet“, titelten viele Zeitungen nach dem Aus. Und tatsächlich scheinen einige ins Grübeln zu geraten. Zidane sagte am Wochenende im französischen Fernsehen: „Ich habe mich noch nicht entschieden, ob ich weitermache. Ich brauche jetzt erst einmal Zeit zum Nachdenken.“ Bixente Lizarazu will in den nächsten drei Wochen eine Entscheidung über seine Zukunft in der Nationalmannschaft treffen. Zum Ausscheiden hat er sich aber fast als Einziger schon klar geäußert: „Wir haben unser Spiel idealisiert, und nie genau gesehen, wo wir stehen.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false