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Sport: Der Schumacher-Effekt

„Da, hier, die Karte kostet regulär 375 Euro, können Sie für 330 Euro haben“, meint der stoppelbärtige Mittvierziger. Geht es noch ein bisschen billiger?

„Da, hier, die Karte kostet regulär 375 Euro, können Sie für 330 Euro haben“, meint der stoppelbärtige Mittvierziger. Geht es noch ein bisschen billiger? Na klar: „280 Euro, okay?“ Der Mann steht am Bahnhof von Monaco, es ist Sonntag, acht Uhr morgens, und was er anbietet wie saures Bier war im vergangenen Jahr noch ein teurer Schatz. Eine Karte für den Grand Prix von Monaco, beste Kategorie, die Tribüne an der Rascasse-Kurve, direkt am Yachthafen. Fürs Qualifying verkaufte ein Schwarzmarkt-Händler den gleichen Tribünenplatz sogar „zum halben Preis“.

Eine Top-Karte als Schnäppchen, nicht fünf Minuten vor Rennbeginn, sondern sechs Stunden – das ist kein Zufall, das passt dieses Jahr ins Bild. Der Mythos des exklusivsten, schrillsten und populärsten Formel-1-Rennens beginnt zu bröckeln.

Dass Karten, die sonst für horrendes Geld weiterverkauft werden, diesmal weit unter Normalpreis verscherbelt werden, haben langjährige Monaco-Besucher „noch nie erlebt“.

Wer sich auf die Balkone an der Rennstrecke zwängte und Sekt trank, zahlte bisher rund 8000 Euro. Die Plätze waren heißbegehrt. 2002 aber, schreibt eine französische Zeitung, „bieten Agenturen diese Plätze händeringend an“. Und der Preis sinkt auch. Horst Frank, ein Formel-1-Fan aus Gelsenkirchen, ist „seit 1990 bei jedem Rennen in Europa“. So wenig Interesse wie in diesem Jahr, sagt er, hat er in Monaco noch nie erlebt. Er saß auf einer der begehrtesten Tribünen, weil dort die Fahrer auf dem Weg zu ihren Autos vorbeikommen. „Im letzten Jahr war die Tribüne voll“, sagt er. „Dieses Jahr war sie fast leer.“

Der Schumacher-Effekt, zweifellos. Der Skandal von Österreich, der Zwangssieg des Weltmeisters. Das ist der Hauptgrund. Auch dafür, dass auf den Straßen weniger Betrieb ist als früher. Hinter einem Fanartikel-Stand steht Sven Jurisch, ein Jurastudent, der in den Semesterferien Formel-1-Artikel verkauft. Er war schon bei einigen Rennen, aber so schlecht wie in Monaco „lief es nirgendwo“. Die Ferrari-Shirts und -kappen verkaufen sich zwar immer noch am besten, aber die Schumacher-Sachen gehen diesmal nicht so gut.

Aber es ist nicht nur Schumacher. Das Gesamtgebilde Monaco verliert offenbar seinen Reiz. Bier und Essen sind zu teuer, die Ordner unfreundlich, der Verkehr chaotisch. Fans, die seit 20 Jahren hierher kommen, sagen nun: „Es reicht. Das hier ist Abzockerei.“ Vor ein paar Jahren konnten die Fans durch die Boxengasse wandern und den Fahrern auf die Schultern klopfen, jetzt ist sie total abgesperrt.

Das Rennen in Monaco, einst für die Nähe zwischen Fans und Fahrern berühmt, hat seine Seele verkauft. Ute Weichseling ist zum 14. Mal in Monaco. Sie hat ein teures Hotelzimmer in Menton, und sie sagt: „Ich komme nicht mehr. Zu teuer. Zu unpersönlich.“ Da helfen nicht mal Tricks. Ein Kaufmann aus Berlin wollte es besonders clever machen. Er kaufte sich am Bahnhof Bier, wollte den Nepp der Lokale umgehen. Viel half es nicht. Für vier Dosen zahlte er 16 Euro. Frank Bachner

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