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Sport: Der Sommer kommt

Im Winter legen Kanuten, Radsportler oder Leichtathleten die Grundlagen für eine erfolgreiche Saison

Berlin - In diesem Jahr hat Birgit Fischer zwischen den Feiertagen Zeit für Dinge, auf die eine Spitzensportlerin wie sie sonst häufig verzichten muss. Gestern hatte sie Freunde eingeladen und für ihre Gäste einen Kuchen gebacken. „Ich kann mich um die Familie kümmern und auch einmal nichts tun“, sagt Fischer. Die viele Freizeit kommt allerdings ungewollt. Die achtmalige Kanu-Olympiasiegerin leidet derzeit an einem Rippenbruch und kann deshalb nicht trainieren.

Wäre sie gesund, wäre die Zeit zum Kuchenbacken knapp. Anfang Dezember sollte eigentlich ihr Grundlagentraining beginnen: Laufen, Schwimmen, Krafttraining. Denn der Winter ist die wichtigste Zeit für Sommersportler wie Birgit Fischer. Während die Fernsehzuschauer die Wettkämpfe der Skispringer und Biathleten verfolgen, schaffen Ruderer, Schwimmer oder Kanuten die Voraussetzungen für den Sommer. „Es heißt, ein Kanute wird im Winter gemacht“, sagt Detlef Hummelt, in der abgelaufenen Saison Bundestrainer der deutschen Kanu- Frauen. Viele Kanuten fahren in Wintersportgebiete, um dort Kondition aufzubauen. „Wenn die Saison anfängt, kann man die Kraft nur noch halten, aber nicht mehr entwickeln“, sagt Hummelt.

Auch Ruderer sind schon im Stress. Diverse Weltklasseathleten des deutschen Verbands sind am 26. Dezember zu einem Höhen-Trainingslager nach St. Moritz gefahren. „Dort steht Skilanglauf als Konditionsarbeit und Krafttraining auf dem Programm“, sagt Kathrin Boron, mit drei Olympiasiegen und sieben WM-Titeln die erfolgreichste Ruderin der Welt. „An besonders harten Tagen steht man da sechs Stunden auf Ski und geht dann noch in den Kraftraum.“ Im Januar sind die Ruderer entweder auf dem Wasser, wenn die Witterung das zulässt, im Kraftraum oder beim Trockentraining am Ergometer. In strapaziösen Phasen kommt eine Ruderin wie Boron auf 20 bis 22 Stunden Training pro Woche. „60 Prozent davon ist Wasserarbeit“, sagt Boron. In diesen Wochen werden Grundlagen im Konditions- und im Kraftausdauerbereich gelegt. Im Februar reisen die Nationalmannschaftskader nach Sevilla in die Wärme. Dort werden auch technische Feinheiten geübt. Im April steigen die Ruderer in die Saison ein. Erster Termin ist eine Langstreckenregatta in Leipzig.

Auch die Leichtathleten legen im Winter die Grundlage für die großen Trainingsumfänge im Frühjahr. Viele Langstreckenläufer trainieren für Cross-Strecken. Diese Geländekurse erfordern viel Kraft, erhöhen aber das Stehvermögen. Sabrina Mockenhaupt, die derzeit beste deutsche Langstreckenläuferin, hat vor kurzem auf Usedom mit der Mannschaft den vierten Platz bei der Cross-Europameisterschaft gewonnen. „Die Cross- Strecken von vier bis sechs Kilometern Länge sind wichtig für den Kraftausdauerbereich, und sie helfen auch für koordinative Dinge“, sagt der Berliner Sportwissenschaftler Jürgen Lock. „Was man sich im November und Dezember nicht erarbeitet, kann man in der Saison nicht mehr aufholen.“

Gleiches gilt für die Radsportler. Das T-Mobile-Team um Jan Ullrich reist am 9. Januar zum Wintertrainingslager nach Mallorca. Die Trainingsintensität dort richtet sich nach der Saisonplanung. Die Fahrer, die bei den Frühjahrsklassikern starten, trainieren intensiver als jene, die sich auf die Tour de France im Juli vorbereiten. Die Phase im Winter ohne Rennen sei „nicht immer die angenehmste im Jahr“, sagt Olaf Ludwig, Olympiasieger 1988 und heute Sprecher des T-Mobile-Teams. „Aber viele sind ganz zufrieden, wenn sie einmal nicht im Mittelpunkt stehen.“ Auf die Sechstagerennen im Winter müssen die T-Mobile-Profis allerdings verzichten. Eine Verletzung in dieser Phase der Saison würde die Fahrer zu weit zurückwerfen.

Birgit Fischer hofft, dass ihr genug Zeit bleibt, um den Trainingsrückstand aufzuholen. Im Februar fährt sie nach Kalifornien, wo auch im Winter Training im Freien möglich ist. Die nötige Kraft für den Sommer will sie sich dort holen. Ob das reicht, um zum Saisonstart im April fit zu sein? „Was richtig war, weiß man sowieso immer erst am Ende.“

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