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Sport: Der Star war das Team

Die Weltmeisterschaft hat gezeigt: Nur mit Einzelkönnern hält sich keine Mannschaft in der Weltspitze

Juan Carlos Pastor konnte sich nicht richtig freuen. Er gratulierte seinen Spielern, die gerade 40:36 gegen Island gewonnen und sich damit den siebten Platz gesichert hatten, aber der spanische Handball-Nationaltrainer spürte immer noch große Frustration. Die Niederlage des Titelverteidigers Spanien im WM-Viertelfinale gegen Deutschland hatte er noch nicht vergessen. „Ich bleibe dabei, die Schiedsrichter haben das Spiel entschieden“, sagte Pastor und wiederholte damit seinen Vorwurf, den er bereits unmittelbar nach dem Spiel am vergangenen Dienstag verkündet hatte. Die Spanier, die in den vergangenen Jahren zur absoluten Weltspitze gehörten, konnten mit Platz sieben wenigstens noch Schadensbegrenzung betreiben. Platz sieben berechtigt noch zur Teilnahme am Olympia-Qualifikationsturnier für Peking 2008. Doch viel mehr wird von den WM-Auftritten dieser Mannschaft nicht in Erinnerung bleiben. Dabei konnten die Konkurrenten bisher einiges lernen. Freilich: Wegweisende Neuerungen zeigten bei der Weltmeisterschaft 2007 auch nicht jene Teams, die besser platziert sind als die Spanier.

Auf einer vom Internationalen Handball-Verband (IHF) organisierten Trainertagung mit Teilnehmern aus 22 Nationen in Dormagen wurde das WM-Turnier analysiert. Eine der Erkenntnisse lautet: Die Teams in der Weltspitze sind noch ein Stück enger zusammengerückt. „Die Spiele im Viertelfinale wurden erst in der unmittelbaren Schlussphase entschieden, und in beiden Halbfinals kam es sogar zu Verlängerungen“, sagte Bob Hanning, der seit vier Jahren die Deutsche Trainervereinigung leitet. Die prominenten Trainer in Dormagen, etwa Staffan Olsson und Magnus Andersson aus Schweden sowie Valero Revira, der mit Barcelona sechsmal die Champions League gewonnen hat, urteilten: „Es gibt im internationalen Spitzenhandball kein dominierendes Spielsystem mehr.“ Es sind vielmehr Details, in denen sich die Teams unterscheiden. Die Spanier setzen zum Beispiel vor allem auf ihre Rückraumspieler. Die werfen entweder selbst, oder sie ziehen zwei Verteidiger auf sich und schaffen damit Freiräume für den Kreisspieler. Andere Teams wie etwa die deutsche Mannschaft setzen auf die Gefährlichkeit durch alle Angriffspositionen.

Bochumer Sportmediziner verfolgen und analysieren während des WM-Turniers die Laufwege der Spieler. Der Einsatz von modernster Computertechnologie liefert den Forschern hoch aufgelöste Bilder der Laufwege jedes Spielers. Anhand dieser Daten wird nach der WM ein physiologisches Beanspruchungsprofil, insbesondere der Weltklassehandballer, erstellt. So ist vor allem die Abfolge der Sprints und die Dauer der Erholungsphasen von Interesse. Ziel der Untersuchung ist es, das Leistungsvermögen der deutschen Handballer mit Blick auf die Olympischen Spiele 2008 in Peking zu optimieren.

Für Fachleute wie Bob Hanning gibt es weitere Details, die von den Mannschaften perfektioniert worden sind. „Da ist zum Beispiel der Konter beim Konter“, sagt er und erklärt diesen Satz: „Ein Team läuft einen Konterangriff, und der letzte Spieler verwirft den Ball. Noch während der am Boden liegt, beginnt der schnelle Gegenangriff des Gegners.“ Hanning spricht dann auch noch über „ein ballorientiertes Deckungsverhalten, verschiedene Deckungssysteme und vom Wert der Spieler auf der Auswechselbank“. Letzterer Punkt war zweifellos ein großes Plus der deutschen Mannschaft. Bei Auswechslungen gab es kaum einmal einen Leistungsabfall, nahezu in jedem Spiel setzte ein anderer Spieler die entscheidenden Akzente. Ohne diese Ausgeglichenheit ist es nicht möglich, in die Weltspitze vorzustoßen.

Island ist das beste Beispiel für diese These: Die Mannschaft hatte überragende Einzelkönner; mit Gudjon Valur Sigurdsson (66 Tore), Snorri Gudjonsson (53), Olafur Stefansson (53), Logi Geirsson (48) und Alexander Petterson (48) waren allein fünf Isländer unter den Top Ten der WM-Torschützenliste. Aber diese Spitzenspieler wurden so gut wie nie ausgewechselt und hatten so irgendwann nicht mehr genügend Kraft. Island landete auf Platz acht, einen Rang schlechter als Spanien. Wenigstens diesen Trost hatte der Titelverteidiger.

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