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Sport: Der Stolz der Mannschaft

Die deutsche Nationalelf emanzipiert sich von Ballack – und baut weiter auf ihn

Nach dem Spiel ging Jürgen Klinsmann auf José Pekerman zu und machte eine wertschätzende Geste. Der Bundestrainer führte die Spitzen von Daumen und Zeigefinger seiner rechten Hand so zusammen, dass ein kleines „O“ entstand. Das sollte so etwas wie „fantastico“ bedeuten und galt in dieser Sekunde dem argentinischen Trainer und dessen Team, das derzeit als das beste der Welt gilt.

Vielleicht fallen einem Trainer solche Gesten besonders leicht, wenn er gegen diese Mannschaft ein 2:2 erreicht hat und die Gesten deshalb auch ein bisschen auf die eigene Arbeit und die eigene Mannschaft zutreffen. „Wir sind sehr zufrieden, auch wenn es mit einem Sieg gegen einen großen Gegner nicht ganz geklappt hat“, sagte Klinsmann im Untergrund des Nürnberger Stadions. Und er erzählte, dass viele wohl überrascht gewesen wären, wenn man ihnen vorhergesagt hätte, dass die deutsche Elf beim Confed-Cup die Vorrunde als Gruppenerster beenden würde. Klinsmann: „Wir sind es nicht.“

Keine Frage, das 2:2 nach zweimaliger Führung durch Kevin Kuranyi und Gerald Asamoah hat der deutschen Delegation viel Selbstvertrauen verliehen – vor allem, weil es ohne Michael Ballack zu Stande kam. „Wir haben ihm ganz bewusst mal eine Pause gegönnt, weil wir die Verantwortung auf mehrere Schultern verteilt sehen wollten“, sagte Klinsmann. Je eine Halbzeit lang teilten sich diese Aufgabe Bernd Schneider und Torsten Frings, mit recht ordentlichem Erfolg.

Um den Wert Michael Ballacks für die Nationalelf zu erfassen, taugen die beiden letzten Vergleiche mit den Südamerikanern vorzüglich. Schon beim 2:2 im Frühjahr in Düsseldorf war der Mannschaftskapitän nicht dabei. Er war krank, doch auch schon damals drehte sich nach dem Spiel alles um die Frage: Was kann die Mannschaft gegen einen solchen starken Gegner erst erreichen, wenn er mitspielt?

Es steht außer Frage, dass Ballack der einzige deutsche Feldspieler von Weltformat ist. Insofern ist es für den Lern- und Wachstumsprozess der jungen Mannschaft geradezu ein Geschenk, auf diesem Weg einige Rückmeldungen zu erhalten. „Es gibt der Mannschaft die Bestätigung, auch ohne den Leader ein Spiel auf höchstem Niveau bestehen zu können“, sagte Bundestrainer Klinsmann. Er hätte auch sagen können, dass das Team ein Stückchen Unabhängigkeit gewonnen hat.

Und genau in diesem Punkt unterscheiden sich beide Spiele gegen Argentinien trotz ähnlichen Spielverlaufs und gleichen Ergebnisses voneinander. Die Ausgangslagen waren gänzlich verschieden. Anders als beim Testspiel im Februar, als den Argentiniern die Reisestrapazen und die Bedeutungslosigkeit des Kicks anzusehen waren, ging es am Dienstag unter Turnierbedingungen und nach gründlicher Vorbereitung um weit mehr. „Wir gewinnen immer gern, wenn es etwas zu gewinnen gibt“, sagte José Pekerman.

Dass die Argentinier gewinnen wollten, bewies die zweite Halbzeit. „Aber die deutsche Mannschaft ist nicht so leicht zu bespielen“, sagte Pekerman. In der Tat zeigte die deutsche Elf im taktischen Verhalten deutliche Fortschritte. Das Verschieben der Mannschaftsteile und das Vorrücken der Abwehr verlief phasenweise störungsfrei und effektiv. Weshalb auch Ballack lobende Worte fand: „Die Mannschaft ist sehr, sehr stark aufgetreten, wie sie gespielt hat, die ganze Körpersprache – Kompliment.“ Ähnlich hörte sich Per Mertesacker an. „Mit dem Selbstbewusstsein des Argentinien-Spiels können wir ins Halbfinale gehen und sagen, wir wollen das gewinnen“, sagte der Verteidiger. Die Mannschaft war auf fünf Positionen neu besetzt, und alle hätten sich gut eingeführt. „Das war wichtig für die gesamte Mannschaft, dass sie sieht, dass wir auch so sicher sind und uns stark fühlen.“

Man würde schon sehr gern einen Großen des Fußballs schlagen, sagte Jürgen Klinsmann zum Abschluss eines lauen Junitages. Dann nämlich würde aus der neu gewachsenen Überzeugung Gewissheit werden. „Noch fehlt uns ein Quäntchen Entschlossenheit und Qualität.“ Und Michael Ballack, der am Tag danach schon wieder der Chef auf dem Platz war, diesmal im Trainingsspielchen. Aber darauf, dass der beste deutsche Fußballer nur zuschaute und trotzdem ein 2:2 heraussprang, „darauf dürfen die Jungs ein bisschen stolz sein“, sagte Klinsmann, „und wir vom Trainerstab sind es auch.“

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