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Sport: Der Straßenhandballer

Nationalspieler Christian Zeitz erregt mit seinen ungewöhnlichen Würfen Aufsehen

Leipzig. Dieses Raunen, dieses Staunen. Wo immer Christian Zeitz sich auch zeigt, hinterlässt sein Auftritt ungläubige, rätselnde Handballfans. Das wird sicher nicht anders sein, wenn die deutsche Nationalmannschaft an diesem Freitag in Leipzig gegen Olympiasieger Russland spielt (15 Uhr, live in der ARD) , um das Halbfinale beim Supercup trotz der 25:30-Auftaktniederlage am Mittwoch gegen Schweden doch noch zu erreichen. Christian Zeitz bietet mit seinen ungewöhnlichen Aktionen beste Unterhaltung. Die Würfe des 22-jährigen Linkshänders aus dem Rückraum sind fast ein Affront gegen die reine Handball-Lehre. Es ist dabei nicht nur seine Intuition, sondern vor allem die Wucht, die bei seinen Würfen aus dem Stand irritiert und fasziniert. In seinem Arm schlummert die Kraft eines Katapults. Und diese Kraft bricht sich immer häufiger Bahn.

Bundestrainer Heiner Brand nutzt das Turnier der Weltbesten zur Vorbereitung und Sichtung junger Leute. Besondere Aufmerksamkeit gilt Zeitz dabei nicht, sagt der Bundestrainer, „er ist ja jetzt schon eine feste Größe“. Das war nicht abzusehen. Zwar erkannten viele sein Talent. Für Michael Roth, seinen Trainer bei der SG Kronau/Östringen, war Zeitz ein „Straßenhandballer“, weil er intuitiv alles richtig machte. Und auch Brand fand den Armzug der größten Hoffnung im deutschen Handball „schon immer eine Sensation“.

Doch Zeitz selber stand seiner Karriere im Weg. Das lag vor allem daran, dass er die Anforderungen des Spitzensports lange nicht verinnerlicht hatte – obwohl er, wie er sagt, „immer schon Leistungshandballer werden wollte“. Vor etwa zwei Jahren noch brachte er bei einer Körpergröße von 1,85 Meter 112 Kilo auf die Waage. Pommes, Chips, Burger und Cola, das waren damals die Favoriten auf seinem Ernährungsplan. „Irgendwann aber hat er es begriffen“, sagt Brand heute. Zeitz spielte damals noch in der Zweiten Bundesliga. Die Wende seines Verhaltens beschreibt er als Prozess: „Ich habe gemerkt, da sind andere viel schneller als ich.“ Zusätzliche Motivation war „ein Zeichen des Bundestrainers: Er hat gesagt, dass ich kein Schlechter bin“. Das klingt zwar nicht gerade nach hohem Lob, aber bei Brand bedeutet das wohl schon eine ganze Menge. Zeitz stellte sich also um und nahm 28 Kilo ab – in vier Monaten. Eine Gewaltdiät. Heute ist er ein Modellathlet. „Ich will schnell nach oben“, sagte Zeitz damals. Doch dass ihm dieser Sprung so schnell gelang, hätte keiner für möglich gehalten. Die SG Kronau stieg auf, und weil sich seine Leistungen bald auf höchstem Niveau stabilisierten, sicherte sich schon im Winter der THW Kiel seine Dienste. Dort hat er die Erwartungen fast noch übertroffen, die Arbeit mit dem Erfolgscoach Noka Sedarusic vor allem in taktischen Dingen machte sich rasch bemerkbar. Zunehmend zeigt er sich nun auch als hervorragender Anspieler, und auch sein Verteidigungsspiel ist besser geworden. „Ich lerne bei Noka, dass ich die Spiele nicht mehr allein entscheide wie noch in Kronau“, sagt Zeitz. Er fühlt sich wohl in Kiel und hat neue Freunde gefunden. Das ist wichtig für ihn, denn Weggefährten beschreiben ihn als „Umfeld-Spieler“, weil es für seine Leistung entscheidend sei, dass er sich gut aufgehoben fühlt an einem Ort.

Dass er auch auf internationaler Ebene schon etabliert ist, hat er seinen Einsätzen bei der Weltmeisterschaft in Portugal zu verdanken. Dort zählte er häufig zu den Matchwinnern: Im Viertelfinale trieb seine brachiale Gewalt die Jugoslawen zur Verzweiflung, und im Halbfinale gegen Frankreich erzielte er mit einem Trickwurf von außen das entscheidende Tor.

Diese Szenen haben seine Kollegen vor Augen, wenn sie seine Leistung einschätzen sollen. „Einfach unfassbar“, findet Frank von Behren, „was der aus seinem Arm herausholt.“ Und Kapitän Markus Baur betont, „wie sehr er mittlerweile akzeptiert ist bei uns“. Sie sehen, dass der junge Kerl neben ihnen auf dem Weg zur Weltklasse ist. Sein 54. Länderspiel heute gegen Russland ist dabei nur eine kleine Etappe.

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