zum Hauptinhalt

Sport: Der Stürmer ist immer der Dumme

Hertha BSC hat in sieben Spielen erst sechs Tore geschossen – doch dafür ist nicht nur der Angriff verantwortlich

Von Stefan Hermanns

Berlin. Eigentlich hat es richtig gut angefangen. Die 40. Bundesligasaison war nicht mal eine Minute alt, als Bart Goor das erste Tor für Hertha BSC erzielte. Am 9. August war das, im Saisoneröffnungsspiel zwischen dem Deutschen Meister Borussia Dortmund und den Fußballern aus Berlin. Doch in den darauf folgenden 659 Spielminuten – inklusive DFB- und Uefa-Pokal – hat Hertha nur noch fünf Tore erzielt. Weniger als in der vergangenen Saison in einem Spiel gegen den Hamburger SV, den Gegner am heutigen Samstag im Olympiastadion (15.30 Uhr). 6:0 gewann Hertha im März, und damals schoss Bart Goor vier der sechs Tore.

Haben die Berliner ein Problem im Sturm? Auf den ersten Blick mag es so aussehen. Nur der Tabellenletzte Kaiserslautern und Energie Cottbus haben in den ersten fünf Spielen dieser Saison seltener getroffen als Hertha. „Wenn man keine Tore schießt, kann man nicht einfach sagen, dass es an den Stürmern liegt“, sagt Herthas Trainer Huub Stevens. Aber der Stürmer ist immer der Dumme.

Die geringe Torquote hat laut Stevens mehrere Ursachen. Eine ist die mangelhafte Vorbereitung. Stürmer können nur dann Tore schießen, wenn sie auch Chancen haben. Daran mangelt es derzeit bei Hertha. Der „Kicker“ hat in den fünf Bundesligaspielen lediglich 22 Chancen gezählt. Bei Tabellenführer Bayern München sind es doppelt so viele (44), beim Aufsteiger VfL Bochum sogar 50. Nur Kaiserslautern, Schalke (je 21) und Cottbus (19) hatten weniger Torchancen als die Berliner. Die Statistik zeigt, dass das Problem bei Hertha nicht allein vorne bei den Angreifern liegt, sondern auch im Mittelfeld, dort, wo gefährliche Situationen für das gegnerische Tor in der Regel ihren Ausgang nehmen.

Eine weitere Ursache ist, dass Stevens im Sturm bisher nur selten seine eigentliche Wunschbesetzung aufbieten konnte. Alex Alves, der in der Saisonvorbereitung einen starken Eindruck hinterlassen hatte, hat sich im dritten Saisonspiel verletzt und fehlt seitdem. Michael Preetz, mit zwei Toren in der Bundesliga und im Pokal Herthas aktuell bester Stürmer, konnte in Bielefeld und Aberdeen nicht mitspielen, hat am Donnerstag aber wieder mit der Mannschaft trainiert. „Er hat sich gut bewegt“, sagt Stevens. Dafür hat sich der 18 Jahre alte Rafael Nando eine Prellung zugezogen. Ein Einsatz des Neuzugangs von Ajax Amsterdam bei den Profis wäre trotz guten Leistungen im Training ohnehin zu früh gekommen. „Die Bundesliga ist was anderes als die holländische Jugendliga“, sagt Stevens.

Weil die Besetzung im Sturm dünn ist, musste der Brasilianer Luizao in Aberdeen erneut sein dringend notwendiges Grundlagentraining unter Wettkampfbedingungen bestreiten. Die „Bild“-Zeitung hat am Donnerstag ein Foto von Luizao im Nationaltrikot abgedruckt, um zu beweisen, dass er im Juni wirklich mit Brasilien Weltmeister geworden ist. Seine Auftritte bei Hertha haben bisher eher den Eindruck erweckt, dass sich die Berliner einen weit weniger begabten Doppelgänger haben andrehen lassen.

„Wenn Alves und Preetz fit gewesen wären, hätte Luizao in Aberdeen gar nicht gespielt“, sagt Herthas Manager Dieter Hoeneß. Trainer Huub Stevens ist überzeugt, dass der Brasilianer „sich weiter steigert“, und in Aberdeen hat Hoeneß erste Fortschritte registriert: „Man sieht, dass er jetzt zu den Bällen hingeht.“ Gegen die schottischen Verteidiger gewann Luizao fast jeden Offensivkopfball, und das WM-Feierlichkeiten-Übergewicht hat er inzwischen wieder abtrainiert. Wer etwas anderes behauptet, dem teilt Luizao höchstpersönlich mit, dass er jetzt sein altes Kampfgewicht habe.

Was offenkundig noch fehlt, ist das Spielverständnis, die Abstimmung mit den neuen Kollegen. „Das dauert noch zwei, drei Monate“, sagt Manager Hoeneß. „Aber das haben wir vorher gewusst.“ Dass die Harmonie noch verbesserungswürdig ist, hat Herthas Spiel gegen Borussia Mönchengladbach gezeigt, in dem Luizao und Preetz gemeinsam den Sturm bildeten. Beide bevorzugen eine ähnliche Spielweise. Hoeneß nennt Typen wie Preetz und Luizao gerne „Stoßstürmer“, weil sie ihr Betätigungsfeld vornehmlich im gegnerischen Strafraum sehen. Im Spiel gegen Gladbach hatten viele Beobachter den Eindruck, dass der Strafraum zu klein sei für beide. Daraus eine generelle Unvereinbarkeit abzuleiten, hält Trainer Stevens für übertrieben: „Sie haben erst zweimal zusammen gespielt und waren nicht erfolgreich“, sagt er. Einen dritten Versuch wird es gegen den HSV geben – „learning by doing“ sozusagen.

NAME

Zur Startseite