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Aus dem Hintergrund. Niersbach (l.) verstand es, sich nicht von den Fehlern seines Chefs Zwanziger beschädigen zu lassen. Foto: dapd

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Sport: Der Teamplayer nach dem Solisten

Wolfgang Niersbach will den Deutschen Fußball-Bund weniger selbstherrlich als Theo Zwanziger führen.

Berlin - Die erste Niederlage des Tages war für Theo Zwanziger nach weniger als 90 Minuten besiegelt. Der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), der mit der Knall-auf-Fall-Ankündigung seines Rücktritts den größten Sportverband der Welt in eine Führungskrise und einen Machtkampf gestürzt hatte, eröffnete am Mittwochvormittag die Sitzung des engen Führungszirkels mit einem Vorschlag seines Nachfolgers. „Wolfgang Niersbach war im Prinzip schon immer mein Kandidat“, sagte er mit Blick auf seinen Generalsekretär. So berichteten es Teilnehmer hinterher. Ein lautes Lachen der anwesenden Herren ist nicht im Sitzungsprotokoll verzeichnet, obwohl es angemessen gewesen wäre. Schließlich hatte Zwanziger erst von einem geheimen Kandidaten schwadroniert, dann den früheren Präsidenten des VfB Stuttgart Erwin Staudt ins Spiel gebracht und schließlich noch gemeint, „zwei, drei andere Kandidaten“ im Blick zu haben. Doch von all diesen Nebelkerzen ließen sich die ob der Volten ihres Chefs verärgerten Regionalfürsten und Präsidiumsmitglieder nicht blenden. Sie hatten sich – nach dem Rückzug des starken süddeutschen Amateurchefs Rainer Koch und des ebenfalls präsidiablen Ligapräsidenten Reinhard Rauball – längst auf Niersbach verständigt und Zwanziger unverhohlen sogar mit seinem sofortigen Sturz gedroht. Nun, nach seinem internen Rückzieher, darf Zwanziger noch bis Oktober weitermachen und dann an Niersbach übergeben.

Der künftige starke Mann im DFB kündigte an, als Teamplayer aufzutreten und setzte sich damit von Zwanziger ab. „Der Präsident sollte kein Solist sein“, sagte Niersbach nach der Sitzung. Da er auch hinter verschlossenen Türen ein Mannschaftsspiel unter seiner Leitung avisiert hatte, war das Aufatmen bis in die letzten Gliederungen des DFB-Reiches zu hören. Nach der Sitzung hagelte es Vorab-Gratulationen aus der Bundesliga, von der Nationalmannschaft, den Amateurverbänden und sogar vom Deutschen Olympischen Sportbund. Die Königsmacher Rauball und Koch lobten unisono „die schnelle Entscheidung“ und würdigten Niersbach als „Mann des Ausgleichs“. Zwanziger wünschte immerhin „viel, viel Glück“, sein eigentlicher Wunschkandidat Staudt ließ wissen: „Das ist okay so.“ Die deutsche Fußballfamilie kuschelte sich öffentlich wieder zusammen – auch weil sich der gut vernetzte Niersbach in seinen 23 Jahren beim DFB kaum Feinde gemacht hat (siehe Porträt rechts).

Bis zu seinem Amtsantritt im Oktober hat Niersbach eine Menge Probleme zu lösen. Neben der virulenten Debatte um die Fangewalt und der unaufgeklärten Steueraffäre bei Schiedsrichtern muss er bis zur offiziellen Ablösung ein Auskommen mit Zwanziger finden und die DFB-Zentrale auch organisatorisch auf die neue Zeit vorbereiten; dazu gehört die Suche nach einem eigenen Nachfolger als Generalsekretär.

Ein Problem immerhin hat sich erledigt. Der nach Vorwürfen sexueller Nötigung um sich schlagende ehemalige Schiedsrichter-Obmann Manfred Amerell errang am Mittwochnachmittag einen juristischen Sieg. In einem Vergleich vor dem Oberlandesgericht Stuttgart einigte sich der 64-Jährige mit dem angeblichen Opfer, dem 28 Jahre alten Referee Michael Kempter auf einen Vergleich: Kempter behauptet nun nicht mehr, bei sexuellen Kontakten mit Amerell „meinen entgegen stehenden Willen eindeutig und klar zum Ausdruck gebracht zu haben“. Es war die zweite Niederlage des Tages für Zwanziger, der sich vorschnell und ohne Anhörung Amerells auf Kempters Seite geschlagen hatte.

Wolfgang Niersbach wird auch daraus seine Schlüsse ziehen.

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