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Sport: Der traurige Charme des Scheiterns

Nach dem plötzlichen Saisonende im Halbfinale denken die Berliner Eisbären bereits ans nächste Jahr

Krefeld. Der Moment der Niederlage war für den Trainer des Favoriten eine Demütigung, der er nur mit einer Flucht begegnen wollte. Pierre Pagé scherte sich nicht um das von ihm so gern kultivierte Bild vom welt- und wortgewandten Gentleman, dem Eishockey-Trainer von internationalem Renommee. Für die Reporter und ihre Bitte nach einer Stellungnahme hatte der Trainer des EHC Eisbären nur ein Kopfschütteln parat. Wenige Minuten nachdem sich sein Team in peinlicher Manier und mit einer 1:4-Niederlage bei den Krefeld Pinguinen aus dem Halbfinale der deutschen Meisterschaft verabschiedet hatte, verließ Pagé die Rheinlandhalle. Als ein Fernsehteam noch am Mannschaftsbus nach dem Kanadier forschte, saß dieser längst im Taxi Richtung Flughafen. Den Rückflug nach Berlin trat Trainer Pierre Pagé allein und eine Stunde vor der Mannschaft an.

Ausgerechnet in der rheinischen Provinz, in der betagten Eishalle zu Krefeld, endete die Saison für die Eisbären in einem Trauerspiel. Es war der mutlose Abgang einer Mannschaft, die noch Tage zuvor von der Meisterschaft gesprochen hatte. Es war die Niederlage modernen Eishockeys gegen einen biederen, aber effektiveren konservativen Stil. Für Pagé war es dazu eine Niederlage gegen seinen Krefelder Kollegen Butch Goring. Als Spieler war der mal in der nordamerikanischen Profiliga NHL eine große Nummer, als Trainer wurde der Kanadier mit dem Hang zu Outfits aus den Siebzigern in der Szene stets belächelt – bis zum souveränen Halbfinalsieg gegen die Eisbären.

Nun sind Siege und Niederlagen in Mannschaftssportarten eine kollektive Leistung und daher gemeinsam zu ertragen. Auch Peter John Lee sieht das so, aber seinen Trainer mag er dennoch nicht in der Öffentlichkeit bloßstellen. „Natürlich kann ich Pierres Verschwinden nicht gutheißen“, sagt Lee. „Aber bevor er sich nicht mehr gezeigt hat, hat sich sein Team nicht gezeigt. Schon vor sechs Wochen hat Pierre die Spieler vor den Play-offs gewarnt und ihnen gesagt, dass sie ihrer Form hinterherlaufen.“ Mancher hat wohl nicht zugehört. Stattdessen beschwerten sich Spieler vor laufender Fernsehkamera über zu großen medialen Druck. Lee findet das lächerlich: „Wem der Druck hier zu groß ist, der soll lieber in Schwenningen spielen.“

Die Eisbären haben in dieser Saison viel erreicht. In der Hauptrunde waren sie an 39 von 52 Spieltagen Tabellenführer und haben mit Pagés offensivem Spielsystem attraktive Unterhaltung geboten. „Wir dürfen jetzt nicht alles Positive aus dem Fenster werfen“, sagt Lee. „Wenn die Emotionen aus dem letzten Spiel in Krefeld verschwunden sind, müssen wir den Saisonverlauf analysieren.“ Die Gefahr, dass sein im Halbfinale nicht nervenstark aufgetretenes Ensemble für eine Wiederholungstat gut ist, sieht Lee nicht. „Das können wir ausschließen, indem wir aus den Fehlern lernen.“ Dies erscheint ratsam, haben doch 15 Spieler Verträge für die kommende Saison. Lee muss nur wenige Personalfragen klären. Ob Torwart Richard Shulmistra einen Vertrag bekommt, ist noch ungewiss, das Schicksal von Verteidiger Keith Aldridge ist ebenso offen wie das von John Emmons, der gegen Krefeld noch einer der Besten in einem schwachen Team war. Verteidiger Nico Pyka geht zu den Adlern nach Mannheim, und er dürfte es schwer haben, sich dort zu etablieren.

Natürlich werde er personelle Entscheidungen mit Pagé abstimmen, sagt Lee. Der Manager gestattete dem Trainer am Montag drei arbeitsfreie Tage. Pagé hatte das Zustandekommen des abrupten Saisonendes noch nicht verdaut. „Wir haben die ganze Saison so hart gearbeitet …“, sagte er am Tag nach dem Ausscheiden. Seine Enttäuschung müsse akzeptiert werden. „Ich möchte jetzt nicht über Eishockey sprechen.“ Dafür gab sich sein Manager redseliger. Das Scheitern in Krefeld birgt für Peter John Lee auch eine große Chance: „Das Ende der Saison ist der Anfang der nächsten Saison. Und da wollen wir besser werden.“

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