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Sport: Der Unbeliebte

Nur der WM-Titel kann Frankreichs Trainer Raymond Domenech noch retten

Frankfurt - Meinungsforscher haben errechnet, dass Zinedine Zidane gute Chance hätte, von den Franzosen zum Staatspräsidenten gewählt zu werden. Sollten die Franzosen in einer Parallelabstimmung über den unsympathischsten Mitbürger entscheiden, wäre Raymond Domenech ganz vorn dabei. Das liegt auch an seinem Verhältnis zum bisher größten französischen Fußballer. Für den Nationaltrainer ist Zidanes Zeit vorbei. Er hat ihn, auf öffentlichen Druck, trotzdem zur WM nach Deutschland mitgenommen. Und nachdem Zidane am Dienstag ein Tor und eine Vorlage beigesteuert hat zum 3:1 über Spanien, wird Domenech ihn wohl auch heute in Frankfurt im Viertelfinale gegen Brasilien aufstellen.

Raymond Domenech hat mit gelitten, als Frankreich vor vier Jahren als amtierender Weltmeister ohne ein einziges Tor von der WM abreisen musste. Er hat gesehen, wie die alten Stars entkräftet über den Rasen schlichen. Domenech hat sich geschworen, die Fehler seines Vorgängers Jacques Santini nicht zu wiederholen, als er vor zwei Jahren nach der ebenfalls missratenen EM in Portugal die Nationalelf übernahm. Er drängte die großen Alten zum Rücktritt, neben Zidane auch Claude Makelele und Lilian Thuram.

Es lief noch gut genug, um die Qualifikation für Deutschland ohne die Alten zu schaffen. Domenech wünschte sich die Kraft, die Frankreich Mitte der Neunziger zum Neuaufbau nach der Ära Platini aufgebracht hatte. Doch Frankreichs Fußball beharrte auf dem Status als Weltmacht, unfähig und unwillig zur Einsicht, dass die Zeiten sich gewandelt hatten. Domenech aber blieb bei seiner Linie. Er war es nicht, der Zidane um ein Comeback bat, auch bei Thuram und Makelele wurde er nicht vorstellig – Patrick Vieira überredete das Trio. Zidane inszenierte seine Rückkehr als im Schlaf erschienene Vision. Was hätte Domenech dagegen tun können? Die Ablehnung hätte ihn den Job gekostet, die Zusage kostete ihn sein Konzept.

Seitdem verdichtet sich der Eindruck, Domenech nehme alles nicht mehr so ernst. Diese Mannschaft ist nicht mehr seine, sie ist ihm aufgedrückt worden. Domenech macht sich einen Spaß daraus, die Journalisten aus der Heimat vor den Kopf zu stoßen. Auf Fragen nach der Aufstellung antwortet er etwa: „Diese Frage ist ermüdend“, oder: „Das ist mir zu dumm.“ Die Aufforderung, ein bisschen offensiver zu spielen, so wie Brasilien, konterte er so: „Wie Brasilien? In gelben Trikots?“

Zu einer anderen Zeit würde Domenech in Frankreich, der Heimat des Esprit, als witziger und geistreicher Zeitgenosse wahrgenommen. Mit Zidane und der Equipe Tricolore aber verstehen die Franzosen keinen Spaß.

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