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Sport: Der Unersetzliche

Philipp Crone ist die bestimmende Figur der Hockey-Nationalmannschaft – doch vielleicht ist die EM sein letztes großes Turnier

Philipp Crone ist ein Mann des Wortes. In der Hockey-Nationalmannschaft führt er als Innenverteidiger das Kommando, organisiert das Team von hinten heraus. Crone hat damit kein Problem. Er sagt, dass er ohnehin gern und viel redet. Am Abend nach dem Auftaktsieg der Deutschen bei der EM in Leipzig steht Crone mit dem Sportpsychologen Hans-Dieter Hermann in der Lobby des Mannschaftshotels, als Thomas Gottschalk plötzlich vorbeigeht. „Thommy!“, ruft Crone. „Wolltest du nicht auch mal zur Hockey- Europameisterschaft?“ – „Unbedingt“, sagt Gottschalk. „Hat leider nie geklappt.“ „Kennt ihr euch?“, fragt Hermann. Nein, aber wer die Kommandos gibt, muss vor allem überzeugend klingen.

Die Rolle des großen Kommunikators auf dem Platz ist noch ein bisschen neu für Crone. Bis zu den Olympischen Spielen im vergangenen Jahr hatte er Libero Florian Kunz neben und vor allem hinter sich. Kunz war schon wegen seiner Körpergröße die alles überragende Figur im deutschen Team, und gemeinsam haben beide das optisch lustigste Verteidigerpaar im Welthockey abgegeben: der Zweimetermann Kunz neben dem 1,73 Meter großen Crone. „Dick und Lang“, hat Bundestrainer Bernhard Peters seine Abwehr im Scherz genannt. Inzwischen hat Kunz seine internationale Karriere beendet, und eigentlich wäre Crone so etwas wie sein natürlicher Nachfolger.

Seit November 1996 hat der Münchner 309 Länderspiele bestritten. 24 fehlen noch, um Rekordnationalspieler Björn Michel einzuholen. „Das war nie mein Ziel“, sagt Crone. „Aber wenn ich die WM im nächsten Jahr spiele, lässt es sich wohl nicht vermeiden.“ Doch genau das ist inzwischen fraglich. Im November fängt der Diplom-Biologe eine Ausbildung zum Redakteur an der Deutschen Journalisten-Schule in München an. Für professionell betriebenes Hockey bliebe daneben wohl keine Zeit mehr.

Es wäre ein großer Verlust für die deutsche Nationalmannschaft. „Der absolute Leader“ sei Crone, sagt Peters. Jeden Verlust könne die Mannschaft ausgleichen, jeden Spieler könne er ersetzen, „nur einen nicht: Das ist Philipp Crone.“ Niemand aus dem deutschen EM-Kader besitzt mehr Erfahrung als der 28-Jährige, und deshalb war es nur logisch, dass Peters ihn nach Olympia zu Kunz’ Nachfolger als Kapitän machen wollte. Crone empfand das als große Ehre, aber die Mannschaft hat sich für einen anderen ausgesprochen: für einen Jüngeren. Timo Weß, 23 Jahre alt, trägt jetzt die Kapitänsbinde.

Man muss sich mal vorstellen, Per Mertesacker und Bastian Schweinsteiger wären zu Jürgen Klinsmann gegangen und hätten gesagt: Wir wollen lieber Arne Friedrich als Kapitän, weil er uns Junge besser versteht als Michael Ballack. Philipp Crone sagt: „In dem Moment, als es ausgesprochen wurde, war ich froh, dass ich es nicht werde. Das Amt hätte mich zu viel Energie gekostet.“ Auch der Bundestrainer glaubt, dass die derzeitige Rolle genau die richtige für Crone ist: „Er kann sich jetzt ein bisschen mehr auf sich und sein Spiel konzentrieren.“

Philipp Crone hat selbst gemerkt, dass seine Interessen inzwischen deutlich von denen der jüngeren Spieler differieren. Die Entscheidung für Weß ist damit auch Ausdruck für den Umbruch, in dem sich die Nationalelf befindet. Sie ändert allerdings nichts daran, dass Crone deren bestimmende Figur bleibt und sich weiterhin für das große Ganze verantwortlich fühlt. In der vorigen Woche hat er festgestellt, dass das politische Interesse bei den jungen Spielern trotz der bevorstehenden Bundestagswahl nicht besonders ausgeprägt ist. Crone hat daraufhin im Internet sämtliche Wahlprogramme bestellt. „Ich werde mal eine kleine politische Schulung machen“, sagt er.

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