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Sport: Der Unvollendete

Didier Drogba wartet noch auf einen großen Titel.

München - Die letzte Begegnung liegt schon ein Weilchen zurück, fast genau sieben Jahre, aber wer sie damals miterlebt hat, wird sich nur zu gut erinnern. An Joe Coles Flanke, die gar nicht mal sonderlich gefährlich wirkte, weil die Bayern doch in erdrückender Überzahl im eigenen Strafraum standen. Dann aber kam diese Naturgewalt. Sie trug ein blaues Trikot und sprang einen halben Meter höher als der nächste Münchner. Die Naturgewalt bog den Oberkörper nach hinten und ließ ihn wieder nach vorn schnellen, und ganz oben traf die Stirn den Ball so wuchtig, dass Oliver Kahn nur hilflos hinterher schauen konnte, wie sich hinter ihm das Tornetz wölbte zum 2:1 für den FC Chelsea.

Was für ein Tor!

Am Ende gewannen die Bayern durch zwei späte Tore noch 3:2, aber das Halbfinale in der Champions League fand ohne sie statt, was sie in München vor allem der Naturgewalt im blauen Trikot zuschrieben, die schon beim 4:2 im Hinspiel getroffen und die Bayern-Abwehr ganz allein in ständige Alarmbereitschaft versetzt hatte. Damals, mit 27 Jahren, war Didier Drogba auf dem Zenit seines Könnens und der wahrscheinlich beste Stürmer der Welt. Heute nun kommt er mit 34 Jahren zum ersten Mal seit diesem Viertelfinale von 2005 nach München, und Bayerns Trainer Jupp Heynckes hat ihn gleich mal nett empfangen mit der Bemerkung: „Drogba ist ein Top-Stürmer, aber manchmal übertreibt er es mit der Schauspielerei.“ Sind Sie ein Schauspieler, Herr Drogba? „Definitiv nicht!“, sagt der Mann von der Elfenbeinküste und dass er großen Respekt vor Heynckes habe, „er ist ein guter Trainer mit viel Erfahrung, mehr kann ich nicht dazu sagen“.

Das ist höflich formuliert und lässt doch vermuten, dass Drogba so begeistert nicht war vom Exkurs des Münchner Trainers. Der FC Bayern soll ohnehin ausbaden, was er gar nicht zu verantworten hat. Dass nämlich Didier Drogba, die Naturgewalt von der Elfenbeinküste, immer noch ohne großen internationalen Titel ist. Mit seinem Heimatland hat er zweimal das Endspiel um den Afrika-Cup verloren, und als Chelsea 2008 in Moskau gegen Manchester United im Elfmeterschießen das Champions-League-Finale verlor, war Drogba im entscheidenden Augenblick unpässlich, weil er kurz vor Ende der Verlängerung wegen einer Tätlichkeit vom Platz geflogen war. Den entscheidenden Elfmeter, den der im Moskauer Matsch ausrutschende John Terry vergab, hätte eigentlich Drogba schießen sollen. So bleibt er bis heute ein Unvollendeter, Afrikas Gegenstück zu Michael Ballack. Das Finale heute gegen die Bayern ist seine wahrscheinlich letzte Chance.

Seit 2004 spielt Drogba für den FC Chelsea, er war der Wunschkandidat des früheren Trainers José Mourinho, der ihn vorher gern schon zum FC Porto geholt hätte, aber Drogba ging lieber nach Marseille. Dieser Umweg kostete ihn vielleicht den Champions-League-Titel, den Mourinho damals mit Porto gewann und dem Chelsea schon seit Jahren hinterherhetzt. Um dieses Ziel zu erreichen, wollten sie an der Stamford Bridge eigentlich das Personal verjüngen. Seit Jahren schon sucht Chelsea eine Alternative zum alternden Drogba. Klub-Mäzen Roman Abramowitsch verbrannte erst viel Geld für seinen Liebling Andrej Schewtschenko und später für Fernando Torres. Echte Konkurrenz für Drogba waren sie beide nicht. Mit seiner Wucht und Athletik, aber auch dem Gefühl in beiden Füßen und seiner Vielseitigkeit ist der grazile Büffel aus Chelseas Mannschaft kaum wegzudenken.

Sein Vertrag läuft nach dieser Saison aus, München könnte seine Abschiedsveranstaltung sein. „Ach, alle reden nur über das letzte Spiel, das letzte Spiel, das letzte Spiel“, sagt Drogba. „Aber darum geht es nicht, nicht um meinen Vertrag, sondern um Chelsea und die Champions League. Über alles andere können wir später reden.“ Und was ist mit dem Gerücht, er würde zur neuen Saison beim FC Barcelona spielen? Ha, schönes Gerücht, Drogba lacht und sagt: „Nein, das ist nicht die Wahrheit!“ Sven Goldmann

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