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Sport: Der verflixte sechste Sieg

Lance Armstrong und die Angst vor dem Scheitern am Rekord

Lüttich - Erst sprach Lance Armstrong, zweieinhalb Stunden später Jan Ullrich. Beide gaben sich zurückhaltend. Seit der Präsentation im Oktober 2003 in Paris haben die beiden Favoriten in unzähligen Interviews über sich, den Rivalen und die Tour de France 2004 referiert. Armstrong hatte sogar eingestanden: „Meine Angst zu scheitern, ist größer als meine Freude über einen Sieg. Ich will nicht versagen, ich will nicht verlieren.“ So sehr hat er sich unter Druck gesetzt.

Nun also die letzten aktuellen Ansichten vor dem Prolog der 91.Tour de France heute in Lüttich. Die Anspannung ist zu spüren. Armstrong macht sich frei vom Ballast der Historie, mit einem sechsten Sieg Jacques Anquetil, Eddy Merckx, Bernard Hinault und Miguel Indurain zu übertreffen und zur Legende zu werden. „Ich könnte gegen einen Stärkeren verlieren. Wenn dann doch ein Sieg herausspringt, können wir an den Rekord denken und darüber reden.“

Jan Ullrich ist frei von Druck, sagte er jedenfalls. „Lance muss den Sieg wiederholen, um seine Erfolgsstory fortzuschreiben. Ich muss nicht gewinnen. Müssen tue ich gar nichts.“ Das hörte sich sehr gelassen an, wie: Zum sechsten Mal Zweiter - na und? Nein, ganz so sieht es Ullrich dann doch nicht. Schon für den Prolog versprach er: „Ich werde versuchen, das Gelbe Trikot zu erobern.“ Ullrich, der am Freitag den 6,1 Kilometer langen Kurs inspizierte, kündigt an: „Ich werde voll fahren, um gegen Hauptgegner schon Zeit gutzumachen.“

Ullrich meint damit vermutlich „den Hauptgegner“ und der heißt wieder mal Lance Armstrong. Der 32-jährige Texaner hat allerdings vor dem Tour-Start auch noch andere Probleme als Ullrich. Etwa die neuesten Dopingvorwürfe gegen ihn in dem zum Tour-Start erschienen Buch „L.A. Confidential – die Geheimnisse des Lance Armstrong“. Mit stechendem Blick fixierte Armstrong am Freitag den englischen Enthüllungsjournalisten David Walsh, einen der beiden Autoren. „Den besonders schweren Anschuldigungen müssen besonders stichhaltige Beweise folgen“, sagte er. „Wir werden den Fall zur Gerechtigkeit bringen, wie lange es auch dauern mag.“ Es wird wohl lange dauern. Denn am Freitag hat ein Gericht in Paris die Klage von Armstrong abgewiesen, sich in dem Buch zu den Doping-Vorwürfen äußern zu dürfen. Mit dem gleichen Anliegen war Armstrong schon in der vorigen Woche vor Gericht gescheitert.

Über sich und seine Form gab sich Armstrong sehr zurückhaltend. „Ich weiß nicht, wo ich stehe. Ich fühle mich stärker und gesünder als letztes Jahr.“ Zum Tourstart müsse er noch nicht hundertprozentig in Form sein. Denn es sei schwierig, Bestform über drei Wochen zu halten, zumal bei einer Tour, in der alles auf die extremen Schwierigkeiten der letzten Woche ankommt. Armstrong verwies auf Jan Ullrichs Fähigkeit, in den letzten zehn Tagen seine Bestform zu finden. Voller Respekt sagte Armstrong: „Jan ist besser vorbereitet als in den vergangenen Jahren und der größte Rivale.“

Jan Ullrich sagte, er habe zum Tour-Start sein ideales Gewicht, nämlich genug, um davon zehren zu können und „nicht ausgemagert“ in den Bergen zu sein. Im Gebirge werde er dann ideales Gewicht haben. Kritik übte Ullrich an der Zeitbegrenzung im Mannschaftszeitfahren am kommenden Mittwoch in Arras. „Die Bergfahrer können weniger Zeit verlieren. Das finde ich ungerecht. Seit einem halben Jahr haben wir dafür großen Aufwand betrieben, können aber nicht so viel Zeit herausholen, wie wir es gerne hätten.“

Hartmut Scherzer

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