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Sport: Der verkannte Profi

Collin Benjamin trifft gegen Hannover, kämpft aber beim HSV um Anerkennung

Von Karsten Doneck, dpa

Collin Benjamin hatte sein Tänzchen am Rande des gegnerischen Strafraums kaum begonnen, da stoppten seine freudvollen Zuckungen schon wieder. Notgedrungen. Den Bewegungsdrang des Namibiers behinderte zuerst Nigel de Jong mit einer stürmischen Umarmung, dann eilten auch noch ein paar andere Spieler herbei. Den Dank der Kollegen hatte sich Benjamin redlich verdient. Er hatte den Hamburger SV bei Hannover 96 nach 23 Minuten mit einem satten Schuss aus zehn Metern, bei dem der Ball von der Unterkante der Querlatte deutlich hinter die Torlinie prallte, in Führung gebracht.

1:0 – das war später auch das Endergebnis. Der HSV hatte nicht nur den Nordrivalen besiegt, sondern auch die eigene Angst: Es war der erste Sieg der Hamburger in Hannover nach 19 Jahren. In den gesamten zehn Spielen gegeneinander nach dem Wiederaufstieg der 96er im Jahre 2002 hatten die Hamburger auch nur einmal gewonnen: 2:1 am 11. August 2002, auf den Tag genau also fünf Jahre vor dem neuerlichen Erfolg am Samstag. Damals war Jörg Albertz mit zwei Toren in der Schlussphase der entscheidende Mann gewesen, diesmal Collin Benjamin.

Dabei wäre Benjamin in Hannover normalerweise gar nicht aufgelaufen. Zu verdanken hat er seinen 102. Bundesligaeinsatz nur der Sturheit von Trainer Huub Stevens. Benjamins Position auf der rechten Defensivseite besetzt beim HSV gewöhnlich Thimothee Atouba. Der trickreiche Mann aus Kamerun hatte in der Vorbereitung gekränkelt, sich aber rechtzeitig zum ersten Saisonspiel fit gemeldet. Stevens aber, immer korrekt, immer um Disziplin bemüht, beäugt die Einstellung des mitunter etwas flippigen Atoubas zum Profifußball generell skeptisch – für den fleißigen, nie aufmüpfigen Benjamin der entscheidende Vorteil.

Es ist schon seltsam mit diesem Collin Benjamin: Immer wieder mal weckt er durch schwere Stellungsfehler oder gefahrbringende Ballverluste Zweifel an seiner Bundesliga-Tauglichkeit, aber verzichten möchte der HSV auf seine Dienste nicht. Der Klub hat Anfang Mai den Vertrag mit dem 28-maligen namibischen Nationalspieler vorzeitig bis zum Juni 2010 verlängert. „Collin hat sich beim HSV stetig weiterentwickelt“, begründete Dietmar Beiersdorfer den Schritt, für den der HSV-Sportchef auch Kritik einstecken musste.

Tore sind da die besten Argumente für Benjamin. Schon im UI-Cup-Rückspiel gegen Dacia Chinisau (4:0) hat er getroffen – zum 3:0. Und nun auch gegen Hannover 96. Beide Tore fielen recht glücklich. Gegen Chisinau half der gegnerische Torwart kräftig mit, das Unterkante-Latte-Tor gegen Hannover war eine Millimeter-Entscheidung. „Ich wusste, dass der Ball reingeht“, erzählte Benjamin später selbstbewusst, um dann, nach Bestätigung suchend, hinzuzufügen: „Das war doch ein tolles Ding.“

Benjamin hat es geschafft, nach dem Weggang von Mehdi Mahdavikia jetzt der dienstälteste HSV-Profi zu sein. Entdeckt bei Raspo Elmshorn und Germania Schnelsen ist er seit Januar 2001 Profi beim HSV – mit Unterbrechung allerdings. In der Winterpause 2006 wurde sein Vertrag vorübergehend aufgelöst. Die Ausländerregelung des Deutschen Fußball-Bundes erlaubte damals maximal vier ausländische Profis im Kader, die aus Ländern außerhalb der Uefa kommen. Und der HSV brauchte damals doch unbedingt den Brasilianer Ailton zur Stärkung des Angriffs.

Ailton ist längst wieder weg, Benjamin noch da. „Ich bin nicht der Typ, der ständig den Verein wechselt“, sagt der 29–Jährige. Am Samstag hat Benjamin beim HSV jedenfalls für Freude gesorgt, die sogar zur Schadenfreude auswuchs. Weil nach Benjamin auch noch Piotr Trochowski und Rafael van der Vaart mit ihren Schüssen die Querlatte des Hannoveraner Tores malträtiert hatten, scherzte Kapitän van der Vaart nach dem Abpfiff: „Hannover muss sich jetzt wohl wegen unserer vielen Lattentreffer neue Tore kaufen.“

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