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Sport: Der verlorene Sieg

Dortmund spielt Madrid an den Rand einer Niederlage – und bestraft sich mit dem 1:1 am Ende selbst

Dortmund. Es gibt Leute, denen geht Dortmunds Trainer Matthias Sammer gehörig auf die Nerven, weil er ständig nörgelt. Warum nur, so der Vorwurf, kann der Mann die Dinge nicht lockerer betrachten und sich und seiner Umwelt das Leben dadurch erleichtern. Manche sagen dagegen: In Wirklichkeit repräsentiere Sammer einen Typ, der in der Showbranche Fußball selten anzutreffen ist: weil er authentisch sei.

Nach dem denkwürdigen 1:1 (1:0) in der Champions League gegen Real Madrid ist Sammer gefragt worden, ob er in erster Linie stolz sei auf die Vorstellung seiner Mannschaft oder enttäuscht, dass der BVB durch den Ausgleich in der Nachspielzeit um den Lohn für seinen aufopferungsvollen Kampf gebracht worden sei? „Ich gebe Ihnen jetzt mal eine unehrliche Antwort“, sagte Sammer, „meine Mannschaft hat ganz gut gespielt.“ Gerade fünf Sekunden konnte er verbergen, was er wirklich dachte: „Das Lehrgeld, das wir bezahlen müssen, ist einfach zu hoch.“ Nicht nur ihn beschäftigte die Szene in der dritten Minute der Nachspielzeit, als die Dortmunder den Franzosen Zidane auf der linken Außenbahn frei gewähren ließen. Der setzte den zwei Minuten zuvor eingewechselten Javier Garcia Portillo so geschickt ein, dass sich der BVB doch noch das Gegentor einfing, das die Chancen um das Erreichen des Viertelfinals sinken lässt.

Am Kräfteverschleiß kann es nicht gelegen haben, versicherte Sammer. Schließlich war der Treffer vor allem das Verschulden „zweier Spieler, die nicht müde sein konnten“. Die Schuldigen waren Amoroso und Reina, die erst kurz zuvor in die Partie gekommen waren. Amoroso verlor bei einem leichtfertigen Dribbling im Mittelfeld den Ball, Reina versäumte es, die linke Seite zu halten. Später sprach er davon, sich „ein wenig blöd“ verhalten zu haben. „Ich hätte hinten dichtmachen müssen.“ Auch Torsten Frings, der für den verletzten Spielmacher Tomas Rosicky in der zentralen Position eine hervorragende Figur abgab, schüttelte noch lange nach Spielschluss den Kopf: „Blöder geht es gar nicht: In der 93. Minute lassen wir uns auskontern.“ Ein Umstand, der in der BVB-Kabine eine Stimmung erzeugte, „als hätten wir verloren“.

Dabei sah die Borussia lange Zeit wie der Sieger aus. Vor allem in der ersten Hälfte, als sie ihren Gegner mit aggressivem Pressing überfiel und zum Führungstor durch Jan Koller kam. Die Männer in Schwarz-Gelb umschwirrten das weiße Ballett wie ein wild gewordener Bienenschwarm. Wo immer ein Spieler von Real angespielt wurde, waren schon zwei oder auch drei Dortmunder zur Stelle, um ihren Widersacher zu stören. Die Befürchtungen, solch eine Gangart sei nicht über die gesamte Spieldauer aufrechtzuerhalten, bestätigten sich nach dem Seitenwechsel. Immer größer wurde der Druck durch die außergewöhnlichen Individualisten in Reihen Madrids. Die Abwehrschlacht hätte der BVB dank eines Jens Lehmann in Weltklasseform beinahe erfolgreich bewältigt. Am Ende reichte es nicht zum Sieg.

„Man hat gesehen, dass Real die reifere Mannschaft ist und die feinere Klinge führt“, sagte Sammer. Mit dem Zusatz, „dass wir mit unseren Tugenden gut mithalten können“. Die sieht Sammer in der deutschen Öffentlichkeit nicht genügend gewürdigt. „Es gibt die Tendenz bei uns, die eigene Mannschaft klein zu reden und den Gegner in den Himmel zu heben.“ Der Gegenbeweis hätte Sammer eine Herzensangelegenheit bedeutet: „Ein Sieg wäre für mich ein innerer Vorbeimarsch gewesen.“

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