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Sport: Der Vorwurf schwingt mit

Skandal zum Saisonstart: Barry Bonds, Star der Baseball-Liga MLB, soll eifrig gedopt haben

Zu Beginn des Frühjahrstrainings in Arizona erlaubte sich Barry Bonds einen kleinen Scherz. Mit einer Perücke, Sonnenbrille und ausstaffiertem Büstenhalter versuchte sich der Star der San Francisco Giants als Wiedergänger der Sängerin Paula Abdul. Mit seinem mächtigen Bizeps im trägerlosen Kleid sah er reichlich daneben aus, mittlerweile droht ihm sein Lachen im Halse stecken zu bleiben. Pünktlich zum Saisonbeginn am Montag schreckt ein neuer Dopingskandal die Major League Baseball (MLB) auf, im Mittelpunkt wieder einmal ihr derzeit bester Rückschläger, Barry Bonds.

In ihrem soeben erschienen Buch „Game of Shadows“ („Spiel der Schatten“) werfen zwei Journalisten des „San Francisco Chronicle“ Bonds vor, seit mehreren Jahren alles einzuwerfen, zu spritzen und zu versuchen, was es an muskelmachenden Mitteln auf dem illegalen Markt gibt. Auch andere MLB-Stars wie Gary Sheffield und Jason Giambi (beide New York Yankees) sollen sich mit Steroiden und Wachstumshormon fit gemacht haben. Quelle der Behauptungen sind die Aussagen der drei Spieler vor einer Grand Jury in San Francisco. Die hatte darüber zu entscheiden, ob der Fall des aufgeflogenen Dopinglabors Balco vor Gericht geht.

Giambi hat seine Verfehlungen bereits zugegeben und öffentlich Abbitte geleistet. Sheffield behauptet wie Bonds, er habe – wenn überhaupt – Steroide nur unwissentlich zu sich genommen. Alle drei waren als Kunden von Balco-Gründer Victor Conte ins Fadenkreuz der Ermittler geraten. Wer vor die Grand Jury gerufen wird, steht unter Eid, Falschaussagen sind strafbar. Gleichzeitig sollen sich Zeugen eigentlich darauf verlassen, dass ihre Bekenntnisse vor dem Gremium geheim bleiben. Doch offensichtlich gibt es Lecks, so hatten mehrere Zeitungen auch im Fall des ebenfalls vernommenen Sprinters Tim Montgomery aus vertraulichen Dokumenten zitiert.

Conte selbst, sein Stellvertreter James Valente, Bonds persönlicher Trainer Greg Anderson und der Leichtathletik-Coach Remi Korchemny wurden allesamt verurteilt. Conte musste vier Monate im Gefängnis absitzen und verbringt derzeit vier weitere unter Hausarrest. In der Vergangenheit schreckte er zum Beispiel im Fall der Sprinterin Marion Jones nicht davor zurück, andere zu beschuldigen, an seinem schmutzigen Handel mit Designer-Steroiden teilgenommen zu haben. Im Fall von Bonds allerdings sagt Conte: „Der ist unschuldig.“

Ob das tatsächlich so ist, soll nun eine Untersuchungskommission unter Leitung des ehemaligen konservativen Senators George Mitchell herausfinden. Er sei fest entschlossen, die Würde der Liga wieder herzustellen, sagte MLB-Commissioner Budd Selig am Donnerstag bei Mitchells Einsetzung. Mitchell sieht auf den ersten Blick wie eine folgerichtige Wahl aus, er war einst Staatsanwalt und Bundesrichter, verhandelte Friedensabkommen in Nordirland und im Nahen Osten und leitete die Korruptionsermittlungen im Zusammenhang mit den Olympischen Winterspielen 1998 in Salt Lake City. Doch auf den zweiten Blick fallen seine engen Verbindungen zum Baseball auf.

So sitzt er im Aufsichtsrat der Boston Red Sox und der Walt Disney Company. Die wiederum besitzt den Sportsender ESPN, der einen achtjährigen Vertrag mit der MLB über die Übertragung von Spielen geschlossen hat, zum Preis von 2,4 Milliarden Dollar. Außerdem produziert ESPN eine Sport-Reality-Show. Hauptdarsteller: Barry Bonds. Kritiker stellen deshalb Mitchells Unabhängigkeit in Frage und vermuten einen Schachzug von Selig, der nur den Senat in Washington ruhig stellen, nicht aber den Doping-Skandal wirklich aufklären soll.

Die Senatoren hatten im März vergangenen Jahres eine Anhörung zum Thema abgehalten und damit gedroht, ein strenges nationales Anti-Doping-Gesetz zu verabschieden, wenn der Sport nicht in der Lage sei, das eigene Haus aufzuräumen. Während die Profi-Ligen im Basketball, Eishockey und Football daraufhin flugs strengere Regeln einführten, hinkt die MLB der Entwicklung weiter hinterher. Bonds, Giambi und Sheffield dürfen ungestraft weiterspielen, der Giants-Star schickt sich gar an, die Homerun-Rekorde von Babe Ruth und Hank Aaron einzuholen und eine Bestmarke für die Ewigkeit aufzustellen. Für stechende Fragen der Reporter hat er derweil nur Spott übrig: „Ich gedopt? Oh nein, jetzt muss ich mich vom Empire State Building stürzen.“ Die Journalisten allerdings fanden schon seinen Abdul-Scherz nicht besonders lustig.

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