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Ende der Leidenszeit? 800-Meter-Weltmeisterin Caster Semenya darf wieder laufen, doch ihre Rückkehr dürfte bei den Konkurrentinnen auf Widerspruch stoßen. Foto: AFP

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Sport: Der Weltkrieg fällt aus

Südafrika jubelt über Semenyas Starterlaubnis, doch ihre Zukunft ist ungewiss

Nur dürre drei Zeilen war die Mitteilung des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF am Dienstag lang – doch für Caster Semenya veränderten sie (fast) alles: Die südafrikanische 800-Meter-Weltmeisterin sei durch den an ihr vorgenommenen Geschlechtstest entlastet und dürfe bei Frauen starten, hieß es in der Erklärung. Allerdings würden die medizinischen Details vertraulich bleiben und nicht weiter kommentiert. Völlig unklar blieb, weshalb der eigentlich vergleichsweise einfache Prozess fast ein ganzes Jahr in Anspruch genommen hatte und welche Kriterien ihm zugrunde lagen. Auch über mögliche Schadensersatzforderungen seitens der Läuferin wurde nichts bekannt: Schließlich dürfte die Zwangspause ganz konkrete Auswirkungen auf Semenyas sportliche Leistungen gehabt haben. Zudem konnte die Läuferin während ihrer Suspendierung keine Sponsorenverträge abschließen oder Preisgelder kassieren.

Für Semenya selbst geht mit der Wiederzulassung zu allen Wettbewerben ein elfmonatiger Albtraum zu Ende, der weltweit für Schlagzeilen gesorgt hatte. Im Detail waren ihre Physiologie und ihr Privatleben in den Medien ausgebreitet worden, darunter die Vermutung, dass sie weder Gebärmutter noch Eierstöcke, dafür aber interne Hoden habe. Nur ein einziges Mal war die Läuferin in den letzten Monaten kurzzeitig aufgetaucht, und zwar in einer südafrikanischen Illustrierten – stark geschminkt im Minirock und mit Stilettos. Noch peinlicher als die Bilder selbst war die Tatsache, dass der kompromittierende Fototermin ausgerechnet vom südafrikanischen Leichtathletikverband eingefädelt worden war, der dafür offenbar noch kräftig abkassierte.

Die inzwischen 19-Jährige durfte seit ihrem WM-Sieg im August letzten Jahres in Berlin weder international noch daheim laufen, weil ihr Geschlecht nicht eindeutig geklärt werden konnte. Ihr enormer Zielvorsprung im Finallauf in Berlin, bei dem sie ihre persönliche Bestzeit gleich um mehrere Sekunden unterbot und eine Buslänge vor ihren Konkurrentinnen gewann, hatte damals, gepaart mit ihrem männlichen Aussehen, vielerorts Zweifel geweckt, ob Semenya tatsächlich eine Frau war. Der Leichtathletik-Weltverband IAAF hatte daraufhin einen Geschlechtstest angeordnet, aber die Ergebnisbekanntgabe immer wieder verschoben.

Semenya selbst wollte sich gestern nicht offiziell zu dem Ergebnis der Untersuchung äußern. In einer kurze Presseerklärung ließ sie nur wissen, überglücklich zu sein, wieder laufen zu dürfen. Ihr Sprecher Tsepho Seema erklärte, sie habe bereits einige Veranstaltungen im Blick. Es sei sehr wahrscheinlich, dass sie noch vor dem Ende dieses Monats ein Comeback feiere.

Südafrikas Sportminister Makhenkesi Stofile meinte, dass die Nachricht „für Semenya, aber auch für alle anderen eine gute Kunde“ sei. Stofile und der am Kap regierende ANC hatten dem Fall der Athletin eine pikante Note verliehen, weil sie die Zweifel am Geschlecht der Läuferin sofort rassisch ausgeschlachtet und den Weißen in Europa, aber auch in Südafrika vorgeworfen hatten, den Sieg einer Schwarzen nicht akzeptieren zu können. Dabei hatten sich am Kap in den letzten Jahren vor allem Schwarze über die männliche Erscheinung Semenyas mokiert und die Läuferin offen diskriminiert. Der frühere südafrikanische Leichtathletik-Verbandschef Leonard Chuene, der inzwischen wegen wiederholter Falschaussagen geschasst wurde, hatte sich sogar dazu verstiegen, „weiße Vaterlandsverräter“ für die Untersuchung Semenyas verantwortlich zu machen. Sportminister Stofile hatte damals noch stärker überdreht und für den Fall eines Startverbotes für Semenya mit einem „Dritten Weltkrieg“ gedroht.

Zumindest dieser scheint durch den jüngsten Entscheid des IAAF vorerst abgewendet zu sein. Ob Semenyas Karriere aber nahtlos weitergeht, darf bezweifelt werden. In Leichtathletikkreisen dürfte ihre Rückkehr auf viel Widerspruch stoßen. Schon nach dem umstrittenen Rennen in Berlin hatte die italienische Teilnehmerin Elisa Piccione gesagt, dass Semenya für sie keine Frau sei. Und als im letzten Monat publik wurde, dass die junge Südafrikanerin an einem Wettbewerb im spanischen Saragosa teilnehmen könnte, hatten mehrere Athletinnen sogleich mit einem Boykott gedroht.

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