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Sieht so ein Verräter aus?

© WDR

Sport: Der zähe Stille

Philipp Lahm steht als Kapitän immer im Rampenlicht, nicht nur, weil er in wichtigen Momenten Tore macht. Mächtig ist er aber vor allem deshalb, weil er sehr akribisch Einfluss auf die internen Debatten nimmt.

Mit Wucht ist Philipp Lahm neulich ins öffentliche Bewusstsein zurückgekehrt. Es lief die 39. Minute, als Lahm die Kanone auspackte, wie es Mario Gomez hinterher sagte, und im EM-Viertelfinale das erlösende erste Tor gegen mauernde Griechen schoss. Man könnte auch sagen: In dem Moment, als Philipp Lahm gänzlich in der Versenkung zu verschwinden drohte, schoss er sich wieder ins Rampenlicht. Und jetzt fahndet er auch noch nach dem Maulwurf im deutschen Team.

Das muss man sich mal vorstellen. Vor nicht mal einem Jahr war es Philipp Lahm selbst, der maulwürfig Interna der deutschen Nationalmannschaft an die Öffentlichkeit schaufelte. Der „Bild“ hatte er den Vorabdruck seines Buches „Der feine Unterschied“ gewährt, was nun nicht die feine Art war. Lahm bekam was auf die Schaufeln, als ihn Joachim Löw und Oliver Bierhoff zum Rapport einbestellten. Beide, Trainer und Manager, waren verstimmt. Dabei hatte Lahm lediglich Belanglosigkeiten verbreitet. Nichts wirklich Schlimmes, auch nichts Falsches – aber etwas, und das musste Lahm sich anhören, das sich nicht gehört.

Schon gar nicht für einen wie ihn, der einer ganzen Fußballergeneration als Vorbild gilt. Danach war es sehr ruhig geworden um Lahm. Der Münchner wirkte wie abgetaucht. Beim FC Bayern spielte er eine Allerweltssaison, nicht wirklich schlecht, aber auch nicht wirklich gut. Und auch in der Nationalelf konnte er keine Akzente setzen.

Der Wirbel damals war im Kern völlig überkandidelt. Und doch setzte in der Folge eine Diskussion ein über die Anforderungen an einen Nationalmannschaftskapitän im Allgemeinen und an Lahm im Speziellen. Manch einer hatte gar seine Ablösung gefordert. Es gab ja auch Präzedenzfälle. So war etwa die Nationalmannschaftskarriere von Toni Schumacher 1987 beendet, nachdem dieser sein Erstlingswerk „Anpfiff“ vorgelegt hatte. Und Lothar Matthäus verlor nach seinem geheimen „Tagebuch“ die Kapitänsbinde beim FC Bayern. Lahm aber blieb. So einfach lässt er sich nicht beiseiteschieben.

Ihn zu unterschätzen wäre ein Fehler. Diese Erfahrung mussten zwei andere prominente Fußballer machen – Mark van Bommel und Michael Ballack. Beide haben es jeweils mit dem Verlust ihrer Kapitänsämter bezahlen müssen. Van Bommel das Amt beim FC Bayern, Ballack das der Nationalelf. Diesen hatte Lahm bei der WM 2010 interimshalber ersetzt. Als Ballack dann genesen zurückkehren wollte, ließ Lahm ihn ins Leere laufen. Seitdem vereint Lahm die beiden wichtigen Kapitänsämter des deutschen Fußball auf sich. Lahm ist damit de facto der mächtigste Kicker des Nation.

Dabei strebt Lahm nicht nach Macht. Sein Führungsstil zielt auf stille Einflussnahme. Weshalb ihm einer seiner Vorgänger, Oliver Kahn, schon Anpassung und Konsensdenken vorwarf. Doch so etwas lässt Lahm kalt. „Ich bin ein höflicher Mensch“, sagte Lahm erst gerade wieder. „Ich werde die Mannschaft so führen, wie ich es für richtig halte.“

Lahms Stärke ist die nach innen wirkende Kommunikation. Er bezieht Mitspieler ein. So sehr sogar, dass sie nicht nur wachsen, sondern ihm in der öffentlichen Wahrnehmung mittlerweile den Rang ablaufen. Der stark aufspielende Sami Khedira etwa, der bei Real Madrid auf dem Weg zum Weltstar ist und nun auch bei der Nationalelf echte Führungsqualitäten zeigt. Selbst Mats Hummels, der Dortmunder, hat wegen seines Auftretens auf dem Platz und vor dem Mikrofon mächtig an Ansehen zugelegt.

Lahm lässt anderen Spielern Platz, alles andere widerspräche seinem Naturell. Dabei ist Lahm weder harmoniesüchtig noch feige. Intern kann er sehr deutlich werden. Darüberhinaus nahm Lahm etwa 2009 die Rekordstrafe von 50 000 Euro in Kauf, als er die Transferpolitik des FC Bayern kritisierte. Dieses Mal über die Medien. Und beim DFB weiß man um die Zähigkeit, mit der der 28-Jährige Turnierprämien aushandelt.

Von den Feldspielern im aktuellen Kader ist nur Miroslav Klose älter, aber der 34-Jährige entspringt noch einer anderen Fußballergeneration. Lahm ist der Kopf der Gegenwart, sein Wort hat Gewicht. Was nicht gut ist für denjenigen, der den personellen Überraschungscoup des Bundestrainers für das Griechenlandspiel ausplauderte. Das sei jetzt nicht das Problem der Mannschaft. „Eher hat der ein Problem, der etwas preisgibt“, sagte Lahm. Jedem müsse bewusst sein, was dabei auf dem Spiel stehe. „Derjenige hat das Spiel nicht ganz verstanden.“ Man werde zwar keinen Spion darauf ansetzen, aber wer Lahm kennt, weiß, dass er den Maulwurf jagen wird. Auch wenn er jetzt noch tief in der Versenkung steckt.

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