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Sport: Der zahme Nahkämpfer

21. November 1989: Nach 24 Jahren entlässt Mönchengladbach erstmals einen Trainer

Am 24. August 1963, vor 40 Jahren also, ist die Fußball-Bundesliga in ihre erste Saison gestartet. Seitdem hat die Liga viele schöne Geschichten geschrieben. In loser Folge erinnern wir an Rekorde und Glanzleistungen, heute an eine ungewöhnliche Trainerentlassung.

Den entscheidenden Fehler machte Wolf Werner, als das Schlimmste bereits überstanden schien. Im Anschluss an die Pressekonferenz nach der 0:1-Niederlage gegen Bayer Uerdingen unterhielt sich Werner noch mit einem Journalisten. Wie er denn damit umgehe, dass die Fans „Werner raus!“ riefen, wurde er gefragt. Werner legte seine Hände an die Ohren, lauschte und sagte: „Ich höre keine Werner-raus-Rufe“. Draußen schrie die Menge „Grashoff raus!“. Die Frau von Helmut Grashoff, dem Manager von Borussia Mönchengladbach, hatte den Dialog mitgehört. Im Vorbeigehen sagte sie zu Werner: „Das werde ich Ihnen nie verzeihen.“ Drei Tage später wurde der Trainer zu Grashoff ins Büro gebeten. „Wölfi“, sagte der Manager, „du wirst verstehen: Bevor ich gehe, ist es mir lieber, dass du gehst.“

282-mal in der Geschichte der Bundesliga haben Trainer vorzeitig ihren Job verloren. Herbert Widmayer vom 1. FC Nürnberg war am 30. Oktober 1963 der erste; als bisher Letzten traf es im Mai Thomas Hörster bei Bayer Leverkusen. Wolf Werner liegt mit der laufenden Nummer 166 irgendwo dazwischen, und doch ist sein Rauswurf ein besonderer. Bis zum 21. November 1989 war Borussia Mönchengladbach der einzige Profiverein in Deutschland, der noch nie einen Trainer entlassen hatte. „Einer musste ja mal der Erste sein“, sagt Werner.

Knapp zwei Jahre zuvor hatte Manager Grashoff Werner in einer sportlich bescheidenden Situation noch den Rücken gestärkt: „Ein Trainerabschuss kommt bei uns nicht in Frage. Da bleiben wir unserem Prinzip treu.“ Im turbulenten November 1989 aber wurde dieses Prinzip nach quälenden Streitereien im Vereinspräsidium außer Kraft gesetzt. Siebenmal in Folge hatte Borussia zuvor verloren, und zum ersten Mal in 24 Jahren Bundesligazugehörigkeit war der fünfmalige Meister ans Tabellenende gestürzt. Heute sagt Werner: „An Grashoffs Stelle hätte ich genauso entschieden.“ Sein Assistent Gerd vom Bruch übernahm die Mannschaft. Am letzten Spieltag schaffte Borussia den Verbleib in der Bundesliga.

Wie vom Bruch, so war auch Werner 1987 vom Kotrainer zum Chef befördert worden. Eigentlich hatte Grashoff den damals noch weitgehend unbekannten Ottmar Hitzfeld aus der Schweiz als Nachfolger für Jupp Heynckes verpflichten wollen, doch der bekam von seinem Verein keine Freigabe. In der Öffentlichkeit blieb Werner immer die blasse Notlösung, „der gelernte Lehrer mit dem Esprit eines Ärmelschoners“, wie es in Holger Jenrichs Borussia-Lexikon heißt. Werner sagt, er habe immer mit dem Vorurteil kämpfen müssen, zu weich zu sein. Wenn er damals schon gewusst hätte, wie wichtig das richtige Image ist, hätte er sich nicht als Lehrer vorgestellt, „dann hätte ich gesagt, dass ich acht Jahre lang Nahkampfausbilder bei der Bundeswehr gewesen bin“.

Seit inzwischen sieben Jahren arbeitet Wolf Werner, der Entdecker von Stefan Effenberg, als Nachwuchsmanager beim SV Werder Bremen. Einen Profiverein hat er nie wieder trainiert. Gleich nach der Entlassung in Mönchengladbach bekam er das Angebot, den Zweitligisten Alemannia Aachen zu übernehmen. Wolf Werner lehnte ab. „Ich hätte meinen Frust einfach schneller überwinden müssen“, sagt er heute. „So habe ich mich selbst aus dem Karussell rausgebeamt.“

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