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Sport: Der Zukunft zugewandt

Die Sportverbände DSB und NOK fusionieren nach langwierigen und heftigen Debatten

Nach der historischen Entscheidung machte Klaus Steinbach eine wichtige Durchsage. Der Präsident des Nationalen Olympischen Komitees (NOK) bat die Delegierten der Außerordentlichen Mitgliederversammlung des Verbandes am Samstagnachmittag, doch bitte ihre Zimmer im Kölner Hotel Maritim zu räumen, „sonst wird das für unseren Verband kostenpflichtig“. Teurer als diese mögliche Zusatzzahlung wäre den Verband und den deutschen Sport allerdings fast die Abstimmung in den Minuten zuvor gekommen. Da wäre der zukunftsweisende Antrag, das NOK aufzulösen und mit dem Deutschen Sportbund (DSB) zu fusionieren, von den Delegierten fast abgeschmettert worden. Von 142 abgegebenen Stimmen entfielen 109 auf den Antrag, dies waren nur zwei über der erforderlichen Dreiviertelmehrheit. Vier Stimmen waren ungültig. Mit einer deutlich größeren Mehrheit stimmten die Delegierten des Außerordentlichen Bundestages des DSB am Samstagnachmittag dem geplanten Zusammenschluss ebenfalls zu.

„Dies ist ein wegweisender Tag für den deutschen Sport“, sagte DSB-Präsident Manfred von Richthofen. Am 20. Mai 2006 soll sich der neue Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) in Frankfurt am Main konstituieren. Der Verband mit 27 Millionen Mitgliedschaften in mehr als 90 000 Vereinen soll künftig die Interessen des Breiten- und Spitzensports bündeln und gegenüber Politik, Wirtschaft und Gesellschaft mit einer Stimme vertreten. Mindestens die Hälfte der bisher 120 Gremien in den Sportverbänden soll zudem eingespart werden. Über den vakanten Posten des Verbandschefs soll eine fünfköpfige Kommission entscheiden. „Ich bin sicher, dass dieses Gremium gute Vorschläge vorbringen wird“, sagte NOK-Chef Klaus Steinbach. Als wichtigster Kandidat wird in Funktionärskreisen Thomas Bach, Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees, gehandelt. Er hat sich allerdings noch nicht entschieden, weil er mit einer nationalen Funktion seine internationale Karriere nicht gefährden will. „Wenn mich die Findungskommission fragt, werde ich mit ihr reden“, sagte Bach am Samstag, „das gebietet schon die Höflichkeit.“ Sollte er zurückziehen, könnten sich möglicherweise Steinbach oder die von Manfred von Richthofen protegierte Präsidentin des Schwimm-Verbandes, Christa Thiel, bewerben. Auch ein Kandidat von außen kommt in Frage; Ex-Sportminister Otto Schily (SPD) hat aber bereits im kleinen Kreis sein Desinteresse bekundet.

In der Politik löste die Nachricht von der geglückten Fusion Erleichterung aus. „Es wäre ein fatales Signal gewesen, wenn sich der Sport als nicht reformfähig erwiesen hätte“, sagte Peter Danckert (SPD), der Vorsitzende des Sportausschusses des Bundestages. „Dies war eine notwendige Änderung für einen stark organisierten Sport“, sagte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU). Dem Beschluss waren heftige Debatten vorangegangen, insbesondere im NOK. So signalisierten die Wintersportverbände Ablehnung, weil sie eine mangelnde Effizienz des neuen Verbandes fürchteten und fehlende Transparenz beim Fusionsprozess beklagten. „Wir brauchen keinen frischen Wind, sondern einen kräftigen Herbststurm, der die Blätter vom Baum fegt“, sagte Andreas Trautvetter, Präsident des Bobverbandes. In einer halbstündigen Rede hatte zuvor Steinbach eindringlich für die Fusion mit den Worten geworben: „Wir dürfen keine Angst vor frischem Wind haben.“ Auch die Persönlichen Mitglieder im NOK, deren Posten zusammengestrichen werden, wehrten sich und setzten eine geheime Abstimmung durch. Der frühere NOK-Präsident Walther Tröger, der noch 1996 im Kampf gegen von Richthofen eine Auflösung seines Verbandes verhindern konnte, warnte diesmal vergeblich vor dem Zusammenschluss mit dem durch finanzielle Schwierigkeiten belasteten DSB: „Wir dürfen unsere solide schlanke Struktur nicht wegwerfen, um einem Kränkelnden auf die Beine zu helfen.“

Am Vorabend der Versammlung hatten noch einmal wichtige Funktionäre auf die Zweifler eingeredet. So waren Bach und der Präsident des Deutschen Fußball-Bunds, Theo Zwanziger, angereist, um die Fusion zu retten. „Wer Spitzensport und Breitensport auseinander dividieren will, versündigt sich am Geist des Sports“, sagte Zwanziger am Samstag in einem emotionalen Redebeitrag. Die Kritiker innerhalb des Deutschen Sportbundes waren dagegen schon vorher umgestimmt worden. Unter anderem wurde den Sportbünden der Bundesländer, die um ihren Einfluss fürchteten, eine Sperrminorität von mehr als einem Drittel der Stimmen in der neuen Mitgliederversammlung zugestanden. Nach der aufregenden Tagung des NOK in einem Saal des Hotels Maritim war die anschließende Sitzung des DSB im Nebensaal schnell entschieden. 93 Prozent der Delegierten stimmten der Auflösung ihres Verbandes zu. Danach schüttelten sich Steinbach und von Richthofen symbolisch die Hände. Und Richthofen verschränkte seine Hände über dem Kopf – so wie es Gerhard Schröder jüngst nach der Bundestagswahl getan hatte. Wie der Bundeskanzler wird auch Richthofen nicht in eine neue Amtszeit gehen. Sein Vermächtnis, die von ihm seit Jahren angestrebte Sportfusion, hat der 71-Jährige am Samstag hinterlassen.

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