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Sport: Der zweite Abschied

Die fünfmalige Schwimm-Weltmeisterin Hannah Stockbauer beendet ihre Karriere – zurückgezogen hat sie sich schon seit Olympia

Berlin - Sie ging seit Monaten nur noch sporadisch ins Schwimmbecken. Oft bloß einmal pro Woche, manchmal auch ein bisschen öfter, aber nie so häufig, dass sich die Distanz zu ihrem früheren Leben verringert hätte. Hannah Stockbauer hat schon lange ein neues Leben, eines ohne Chlorwasser und Schindereien im Kraftraum. Die Ausbildung zur kaufmännischen Angestellten in Erlangen bei Siemens, die Freunde, die sie jetzt häufiger sah, die Freizeit am Abend. Das ist ihr neues Leben. Ab und zu sagte sie Ralf Beckmann, dem Chef-Bundestrainer der deutschen Schwimmer: „Vielleicht mache ich ja 2007 weiter.“ Hannah Stockbauer, fünfmalige Weltmeisterin über 400, 800 und 1500 Meter, macht nicht weiter. „Ich beende definitiv meine Karriere“, sagte sie den „Nürnberger Nachrichten“. Die verbreiteten gestern Abend die Neuigkeit. „Es ist eine Entscheidung für einen neuen Lebensabschnitt“, sagte sie auch noch.

Eine Vollzugsmeldung, nicht viel mehr. Den letzten großen Auftritt hatte die Leistungsschwimmerin Stockbauer im August 2004 bei den Olympischen Spielen in Athen. Da fingen Kameras ihre Tränen ein und ihr unendlich enttäuschtes Gesicht und die versteinerten Mienen von Beckmann und ihrem Heimtrainer Roland Böller. Hannah Stockbauer hatte Platz zwölf belegt (400 Meter) und Platz 14 (800 Meter). Ein Debakel. 2003 war sie auf diesen Strecken noch Weltmeisterin geworden. Nach Olympia unterbrach sie ihre Karriere. Eine stichhaltige Begründung für ihre Athen-Auftritte hat sie nie geliefert. Auch Böller sagte nichts.

Sie machte Beckmann mit verantwortlich, legte sich mit dem Verband an, aber die Vorwürfe wirkten zu konstruiert. Es war ein eher trauriges Bild. Es war ihrer Bedeutung nicht würdig.

Seit 2001 war Hannah Stockbauer eine Größe, sportlich auf dem Weg zur Bedeutung einer Franziska van Almsick. 2001 gewann sie bei der WM zweimal Gold, über 800 Meter und 1500 Meter. Eine mittlere Sensation. Ein neuer Star kletterte da aus dem Becken.

Aber Hannah Stockbauer hatte danach nicht klar genug die Balance zwischen den Rollen als Medienfrau und Hochleistungssportlerin gefunden. Sie fühlte sich geehrt, als sie erotisch für Hochglanzmagazine fotografiert wurde, als Sponsoren sich meldeten, als Boulevard-Blätter sie zur „neuen Franziska van Almsick“ hochschrieben. Sie hetzte lieber zu PR-Terminen als zum Training, bis sich Böller öffentlich beschwerte. Sie schwamm bei der Europameisterschaft 2002 prompt enttäuschend. 2003 lernte sie aus den Fehlern, trainierte hart und gewann bei der WM in Barcelona drei Goldmedaillen. Sie hatte ihre öffentlichen Rollen im Griff, so sah es aus. Bis Olympia.

Hannah Stockbauer hat sich endgültig entschieden. Gegen die monotonen Stunden im Wasser, gegen die quälenden Gedanken über Resultate. Vermutlich geht es ihr jetzt viel besser.

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