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Derby in Mariendorf: Es war einmal ein Traber-Märchen

Beim Deutschen Traber-Derby in Mariendorf kann heute seit 1988 das erste Mal wieder ein Berliner Rennstall triumphieren. Angefangen hat dort alles mit einem Ferienurlaub auf einem Trabergestüt.

Wenn Dirk Schüller zwischen seinen geschäftlichen Terminen einen Moment Zeit hat, dann lehnt er sich am Schreibtisch zurück und aktiviert die Webcam. Dann schaut sich der 48-jährige Unternehmer vom Reinickendorfer Stammsitz seiner 200-Mann-Firma aus zur Entspannung Livebilder seiner Pferde an, die gut 40 Kilometer von ihm entfernt unweit der südlichen Berliner Stadtgrenze trainiert werden. Dort, in seinem Rennstall mit dem Namen „Living Dream“, ist alles nach modernsten Gesichtspunkten ausgerichtet. Neben den Überwachungskameras, die jederzeit die Sicherheit der Traber gewährleisten sollen, hat auch der Computer längst Einzug in den Stallbereich gehalten. Die Zeiten, als die Trainingspläne für jedes einzelne Pferd noch mit Kreide auf einer großen Holztafel in der Boxengasse notiert wurden, sind längst vorbei.

Pferde zu besitzen, ist für Schüller aber weit mehr als nur eine Ablenkung von seinem oftmals harten Hauptjob – es ist seine große Leidenschaft. „Als Jugendlicher wollte ich unbedingt Galoppjockey werden. Ich trieb mich jeden Tag nach der Schule in den Ställen bei Trainer Werner Bauermeister auf der Rennbahn Hoppegarten herum“, sagt Schüller. Doch daraus wurde nichts. Der Teenager wuchs zu schnell und wurde zu groß für eine Karriere im Sattel. „Ich habe dann Jahre später einen anderen Weg gewählt“, erzählt er und schmunzelt: „Weil ich in der Familie der einzige Pferdenarr war und meine damalige Frau überhaupt nichts von meiner Rennbahn-Leidenschaft hielt, brauchte ich unbedingt eine Verbündete.“

Schüller machte – natürlich alles andere als zufällig – mit seiner Tochter Ferien auf einem Trabergestüt. Der Trick funktionierte: Das total begeisterte Kind gesellte sich auf seine Seite und weichte die familiären Widerstände auf. Das erste Pferd wurde angeschafft.

Die Geschichte einem Traber-Märchen

Mittlerweile sind aus dem einen Pferd über zwanzig Vierbeiner geworden. Der Beste von ihnen, der Hengst Ganystar, geht heute auf der Rennbahn in Mariendorf in dem mit 250 000 Euro dotierten 119. Deutschen Traber-Derby an den Start. Im Sulky des Dreijährigen wird wie immer sein Trainer Maik Esper sitzen. „Mit der Teilnahme von Ganystar beim Derby ist für unseren Stall ein Traum wahr geworden“, sagt der 41-jährige Profi, der lange Zeit in Italien lebte und seit 2011 in Mariendorf und Karlshorst Rennen fährt.

Die Geschichte des Hengstes gleicht tatsächlich einem Traber-Märchen. Denn als Jährling war Ganystar so klein und mickrig, dass ihn auf der traditionellen Mariendorfer Derby-Auktion, die stets am Vorabend des wichtigsten deutschen Trabrennens durchgeführt wird, niemand kaufen wollte. „Er sah völlig unscheinbar aus – wie ein Pony“, erinnert sich Sven Block, der nicht nur in der gemeinsamen Firma der Partner von Schüller ist, sondern mit ihm gemeinsam auch die Geschicke des Rennstalls lenkt. Block hob damals auf der Auktion als einziger die Hand und „weiß eigentlich gar nicht, warum. Es war eine Art innere Stimme, die mir dazu riet.“

Ein Konkurrent aus dem Norden

Sein Gefühl war goldrichtig: Für den Hengst, der damals nur 6000 Euro gekostet hatte, werden mittlerweile sechsstellige Summen geboten. „Er ist aber unverkäuflich“, sagt Block. Sollte Ganystar, der seinen Derby-Vorlauf souverän gewann und bei seinen Starts stets sofort nach vorne stürmt, gegen seine elf Finalkonkurrenten tatsächlich die Oberhand behalten, dann wäre es der erste Derby-Triumph eines Berliner Rennstalls seit Gottlieb Jauß 1988 das Rennen mit dem Traber Tornado Hanover gewann.

Doch für Ganystar wird die Aufgabe schwer. „Ich glaube, dass der norddeutsche Hengst Indover für alle das zu schlagende Pferd sein wird“, sagt Dirk Schüller. Gut möglich, dass es ein ähnlich spannendes Rennen wie am Samstag im Stuten- Derby gibt, bei dem der Niederländer Hugo Langeweg mit Pippa Barosso im Ziel rund eine dreiviertel Länge vor der in Berlin trainierten Emma di Quattro mit Fahrer Dennis Spangenberg lag. „Wir hoffen natürlich auf den Sieg“, sagt Schüller und ergänzt: „Aber egal, wie es heute ausgeht: Ganystar wird seinen Weg gehen!“

Heiko Lingk

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