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Dustin Brown beim Volley.

© rtr

Deutsch-Jamaikaner Dustin Brown: Mit dem Campingbus nach Wimbledon

Dustin Brown spielt normalerweise in der drittklassigen Challenger-Tour. Doch in Wimbledon hat sich der Deutsch-Jamaikaner als Qualifikant in die dritte Runde gespielt - und sorgt mit spektakulärem Tennis für Aufsehen.

Als Dustin Brown zu seinem Hecht ansetzte, wirbelten seine langen Rastalocken wild durcheinander und nahmen ihm fast die Sicht. Der Ball schien ohnehin kaum noch erreichbar, doch der schlaksige Deutsch-Jamaikaner reckte sich im Flug so weit es irgendwie ging und gab der gelben Filzkugel einen kleinen Schubs – bis an die Netzkante. Ihm stockte der Atem. Doch dann plumpste sie hinüber in die Hälfte von Lleyton Hewitt, nun wirklich unerreichbar. Brown sprang vom Rasen hoch und schrie sein Glück über den Showcourt No. 2 hinaus. Und was für eine Show hatte dieser Dustin Brown bisher geboten. Kurioser hatte wohl schon lange niemand mehr einen Satz in Wimbledon gewonnen. Die 4000 Zuschauer waren von Brown längst hingerissen, denn einen, der so unberechenbar, eigenwillig und zugleich spektakulär auftrat, hatten sie selbst im ehrwürdigen All England Club selten gesehen.

Auch Hewitt selbst wusste kaum, wie ihm geschah. Dabei hatte der australische unermüdliche Haudegen und Wimbledon-Champion von 2002 zum Auftakt die Nummer zehn der Welt, Stanislas Wawrinka, eliminiert und spielte mit 32 Jahren bissig wie eh und je. Und dann kam dieser Dustin Brown daher, ein Qualifikant, Weltranglistenplatz 189. Er spielte jeden Ball, als sei es der letzte. Bedingungslos, immer alles oder nichts. Für gewöhnlich bekommt Brown mit diesem riskanten Prinzip eher nichts. Doch auf Rasen ist manchmal so alles möglich. Mit 6:4, 6:4, 6:7 und 6:2 gewann Brown und steht mit 28 Jahren zum ersten Mal in der dritten Runde eines Grand Slams. Brown pflegt sein lässiges, karibisches Image, und er wollte auch den größten Erfolg seiner Karriere entsprechend cool feiern. Dann stiegen aber doch die Tränen in ihm hoch. „Ich bin eigentlich nicht der Typ, der heult“, sagte Brown, „aber ich brauche wohl eine Weile, bis ich es verdaut habe.“

Dustin Brown: Direkt auf die Linien oder meterweit ins Aus

21 Asse und 74 Winner hatte er Hewitt entgegengehämmert. Seine knallharten Schläge gingen entweder direkt auf die Linien oder meterweit ins Aus. Anders geht es bei ihm nicht. Immer wieder suchte er den Weg ans Netz, forcierte das Serve-and-Volley-Spiel, das eigentlich längst außer Mode ist. Hewitt verzweifelte schier bei dem Versuch. Den Verlust des dritten Satzes steckte Brown weg, er fühlte, dass es endlich sein Tag sei: „Ich habe so fest daran geglaubt wie noch nie.“ So oft sei er in den letzten Monaten davor gewesen, die engen Partien zu gewinnen, um bei den wichtigeren Turnieren wieder Fuß zu fassen. „Vielleicht sollte es so sein, damit es heute klappt“, sagte er.

Lange hatte Brown nicht mehr auf der großen Bühne gespielt. Normalerweise tingelt der Rastamann aus Celle bei Hannover zu drittklassigen Challenger-Turnieren, rangierte jahrelang zwischen Platz 400 und 800. Seine deutsche Mutter und sein jamaikanischer Vater hatten ihm damals einen Campingbus gekauft, der Reisekosten sparen sollte. Den hat er heute immer noch. Erfolgreich spielte Brown selten, die Handvoll Dollar Preisgeld hier und da reichte für eine warme Mahlzeit und die nächste Tankfüllung. Einen Trainer konnte er sich nicht leisten, Sponsoren blieben auch aus. Doch er fand das nicht schlimm: „Ich bin ein sehr freier Mensch. Ich will nicht, dass jemand für mich entscheidet.“ Vor zwei Jahren schaffte es Brown mal bis auf Rang 89, mehr war mit seiner Art zu spielen nicht drin. In Wimbledon aber geht sein Weg morgen weiter, gegen Adrian Mannarino aus Frankreich. „Ich will daran noch nicht denken und einfach nur diesen Tag genießen.“

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