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Sport: „Deutsch-land! Deutsch-land!“

FANTRAINING FÜR DIE WM (Folge 2) Wie bleibt man bei Stimme, Lance Ryan?

Unsere Autorin hat keine Ahnung vom Fußball – bis jetzt. Für die WM lernt sie nun in einer Serie Eigenschaften, die ein Fan können muss. In unserer zweiten Folge fragt sie Opernsänger Lance Ryan: Wie bleibe ich bei Stimme?

Singen, das ist ein Punkt, bei dem ich mich aus vollem Herzen auf die WM-Zeit freue. Um ein richtiger Fan zu werden, muss ich lernen, wie meine Stimme trotz lautstarken Anfeuerns fit bleibt. Ich treffe einen Experten, den Opernsänger Lance Ryan. Er singt diesen Sommer die „Götterdämmerung“ bei den Bayreuther Wagner-Festspielen. Die „Götterdämmerung“ ist die längste Oper in deutscher Sprache. Also, Herr Ryan: Wie halte ich meine Stimme hoch?

Köln, der Bühneneingang der Oper. Innenstadt, viele Menschen, es ist ein strahlend schöner Tag.

Wir gehen in eine der Künstlergarderoben. Ich stelle die Kernfrage: Wie rufe ich möglichst oft „Tooor!“ und „Deutschland!“, ohne dabei heiser zu werden? Ich schmettere Lance Ryan diese Worte entgegen. Mein Trainer stützt einen Ellbogen nachdenklich auf den Schminktisch der Garderobe und sagt: „Nicht drücken. Du musst die Stimme hier halten, da oben.“ Er zeigt auf die Bereiche neben der Nase, wo die Nasennebenhöhlen sitzen. „Du musst denken: Die Stimmbänder haben damit gar nichts zu tun.“

Neuer Versuch: „Deutsch-land! Deutsch-land!“, rufe ich, nach oben gerichtet diesmal, doch es quakt aus mir raus, hell und lächerlich. Soll ich etwa üben, wie Kermit der Frosch zu sprechen? „Nun, deine Stimme ist schon etwas hoch“, sagt er. Machen es nicht alle Leute im Stadion falsch? Jeder wirft den Kopf beim Anfeuern doch leicht in den Nacken, so dass im Hals alles vibriert. „Stimmt“, sagt Lance Ryan, das sei auch natürlich, fast archaisch. Und es passe zu den Fangesängen: „Fußballlieder müssen rau sein, sie dürfen nicht hübsch gemacht werden, sie sollen menschlich sein.“ Weil Sport ein Kriegsersatz sei und aus dem Bauch komme, nicht aus Kopf oder Herz.

Ich ändere meine Strategie: Ich werde grölen, die Stimmbänder leiden lassen. Heiser werde ich davon garantiert. Was tut ein Könner, wenn die Stimme angeschlagen ist? „Ich schweige“, sagt Lance Ryan. Hustenbonbons wären in leichten Fällen ganz gut, „wie Öl für den Motor“, auch Tee, Trinken generell, und Baden, Luftfeuchtigkeit. Aber das Wichtigste sei: Schweigen. Bis zu vier Tagen. Er spricht nicht im Supermarkt, nicht im Restaurant, nur minimal am Telefon mit seiner Frau.

Ich habe verstanden. Alles hat seinen Preis. Ich bereite mich auf meine Nach-WM-Kur vor: Ein Zettelsystem muss her, mit dem ich zu Hause lautlos kommunizieren kann.

Morgen: Schimpfen üben mit dem Komiker Wolfgang Trepper.

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