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Sport: Deutsche Eishockey-Liga: Der lange Abschied von der Tradition

Früher war im deutschen Eishockey alles einfach. Und wenn man Nationalspieler Erich Kühnhackl fragt, dann war es auch besser.

Früher war im deutschen Eishockey alles einfach. Und wenn man Nationalspieler Erich Kühnhackl fragt, dann war es auch besser. Gern erzählt der frühere Nationalspieler, wie ihm ein hessischer Teamkollege einmal zugerufen hat: "Ei Erisch, klopp druff!" Der Erich hat oft und gut draufgekloppt. Mit 724 Treffern ist der Landshuter bis heute Rekordtorschütze der Eishockey-Bundesliga - und wird es auch für alle Zeiten bleiben. Denn die Bundesliga gibt es nicht mehr, sie wurde 1994 von der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) abgelöst.

Seitdem lebt die neue Liga mit dem Vorurteil, als unendliches Experiment dem Eishockey mehr zu schaden als zu nützen. In der alten Bundesliga sei das anders gewesen. Doch eine Szene, wie sie Kühnhackl beschreibt, ist in der DEL kaum denkbar. Längst ist Englisch Amtssprache im deutschen Eishockey. Ausländer dominieren, Identifikationsfiguren fehlen. Und doch hat sich vieles zum Besseren verändert. Misst man sie zum Beispiel an der Bundesliga, trägt die DEL den Ruf als Pleiteliga zu Unrecht. Bereits 1959, ein Jahr nach Gründung der Bundesliga, schied der erste Klub aus finanziellen Gründen während der Saison aus. Es war die SG Weßling/Starnberg. Bis 1994 folgten 15 weitere Klubs. Allein in den achtziger Jahren rutschten sieben Vereine in die Pleite, unter ihnen der deutsche Rekordmeister Berliner Schlittschuh-Club.

Zu Beginn der neunziger Jahre hatte sich Eishockey an vielen Standorten als unfinanzierbar erwiesen. Die Klubs drängten auf eine neue Liga, in der Wirtschaftlichkeit Vorrang vor kurzfristigem sportlichen Erfolg haben sollte. Der Sport sollte wie in den USA ein Teil der Unterhaltungsindustrie werden. Die Vereine wurden in Kapitalgesellschaften umgewandelt und gründeten nach dem Vorbild der amerikanischen Profiliga NHL die Deutsche Eishockey-Liga (DEL).

Das war damals ein in Europa einzigartiger Schritt - aber auch ein halbherziger. Die DEL blieb zunächst unter dem Dach des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB). Vieles war unausgegoren, die nach Löwen, Panthern oder Huskies benannten Teams erinnerten an einen Zoo. Und man machte dort weiter, wo die Bundesliga aufgehört hatte. Nach vier Monaten der Premierensaison gingen die Mad Dogs München in Konkurs. Die DEL war zunächst lediglich eine Bundesliga mit neuem Namen.

Erst die Neugründung einer DEL-GmbH und die Loslösung vom DEB im Jahr 1997 brachte die Wende. Seitdem gehört die DEL den Klubs. Dieser Strukturwandel hat sich ausgezahlt. Seit 1997 hat es in der DEL mit den Kaufbeurer Adlern nur noch einen Klub gegeben, der die Saison aus finanziellen Gründen nicht beendet hat.

Und doch verträgt sich amerikanisches Businessdenken nicht immer mit deutschem Sportverständnis. Das Verschwinden von Traditionsnamen und das Fehlen von Auf- und Abstieg brachten die DEL in die Kritik. Inzwischen hat die Liga dem Druck nachgegeben und mit dem DEB ein Kooperationspapier erarbeitet. Von dieser Saison an gibt es wieder Ab- und Aufstieg - so unsinnig dies aus finanzieller Sicht auch sein mag und so schwierig es umzusetzen ist. In der zweiten Bundesliga firmieren nämlich sämtliche Klubs unter dem Dach des DEB als eingetragene Vereine und nicht als Kapitalgesellschaften. Ein abgestiegener Klub könnte sich als Mitgesellschafter vor jedem Gericht wieder in die DEL klagen.

Dass die DEL in rechtlicher Hinsicht zum Problemfall werden kann, wurde zuletzt am Fall der Berlin Capitals deutlich. Obwohl der hoch verschuldete Klub schon Anfang Juli keine Lizenzbestätigung erhalten hatte, kam die DEL letztlich trotz aller Fristen und zwischenzeitlichen Lizenzentzugs nicht umhin, die Capitals wenige Tage vor Saisonbeginn zuzulassen. Die Liga weiß um dieses Problem. "Ab der kommenden Saison wollen wir das Lizenzierungsverfahren beschleunigen", sagt DEL-Geschäftsführer Gernot Tripcke.

Den Ruf der Bundesliga, ein Tummelplatz profilneurotischer Funktionäre zu sein, hat die DEL trotz neuer Strukturen übernommen. Dieses Negativimage aber ist mitunter auch einem historischen Ballast geschuldet. Schwarzgeldzahlungen etwa waren in der Bundesliga an der Tagesordnung, und auch die DEL sah sich oft entsprechenden Verdächtigungen ausgesetzt. Derzeit müssen sich die Hannover Scorpions gegen den Verdacht schwarzer Kassen wehren. Auch das Drama um die Existenz der Capitals hat den Ruf der Liga lädiert, zumal selbst die Rettung des Klubs ihren Beigeschmack hatte: Die wichtige Finanzspritze von mehr als 10 Millionen Mark für die Berliner kam ausgerechnet vom Liga-Konkurrenten Adler Mannheim.

Peanuts im Vergleich zu dem, was früher üblich war. Da wurden schon mal in einer Essener Bar mit dem bezeichnenden Namen "Schlüsselloch" gefälschte Pässe verschoben, und der Präsident des ECD Iserlohn versuchte, seinen Klub mit Werbung für die Schriften des libyschen Revolutionsführers Muammar al Ghaddafi zu sanieren. Als die Iserlohner am 4. Dezember 1987 tatsächlich mit dem "Grünen Buch" auf ihren Trikots aufliefen, war das selbst in der Tagesschau beherrschendes Thema.

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