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Verdammt lang her. Zuletzt spielte Ilkay Gündogan am 14. August 2013 für Deutschland.

© dpa

Deutsche Fußball-Nationalmannschaft: Rückkehrer Ilkay Gündogan: Allein unter Weltmeistern

Der Dortmunder Ilkay Gündogan kehrt nach langer Leidenszeit zurück in die Nationalmannschaft. Dem Team von Joachim Löw soll er mehr Stabilität verleihen - so wie ihm das zuletzt schon beim BVB gelungen ist.

Für einen kurzen Moment ist Ilkay Gündogan doch noch einmal außen vor. Es ist der Moment, als Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff in seiner programmatischen Rede zum Beginn des Länderspieljahres noch einmal auf den Herbst 2014 zurückblickt, der sich für die frischen Weltmeister als eher bleierne Zeit herausgestellt hat. „Gegen Ende des Jahres war es schon ein bisschen zäh“, rekapituliert Bierhoff. „Man hat gemerkt, dass alle das intensive WM-Jahr gespürt haben.“ Ilkay Gündogan, der Fußballer von Borussia Dortmund, hat den vergangenen Herbst vermutlich ganz anders in Erinnerung: als die Zeit nämlich, in der sein berufliches Leben nach 430 Tagen Verletzungspause einen neuen Sinn bekommen hat und er nach einer Ära der Schmerzen endlich wieder unbeschwert Fußball spielen konnte. Aber so ist das für den 24-Jährigen derzeit im Kreis der Nationalmannschaft. Seine Erfahrungen stimmen mit denen seiner Kollegen nur bedingt überein.

Der Zufall will es, dass Gündogan an diesem Vormittag neben Shkodran Mustafi steht. Wenn man vor anderthalb Jahren gesagt hätte, einer von beiden werde im Frühjahr 2015 Weltmeister sein, der andere Perspektivspieler der deutschen Nationalmannschaft, hätte das wohl niemanden verwundert. Gündogan war damals auf dem besten Weg, zur Führungsfigur im deutschen Mittelfeld aufzusteigen; dass er bei der WM 2014 dabei sein würde, stand außer Frage. Die Frage war eher, ob er Bastian Schweinsteiger oder Sami Khedira aus der Stammelf verdrängen würde. Shkodran Mustafi hingegen war in Deutschland so gut wie unbekannt, als Gündogan im August 2013 beim 3:3 gegen Paraguay sein achtes und vorerst letztes Länderspiel bestritten hat. Jetzt ist Mustafi Weltmeister – und Gündogan ein Spieler mit hoffnungsvoller Perspektive. Immerhin.

Auch Holger Badstuber steht vor einem Comeback im Nationalteam

Dass er von Bundestrainer Joachim Löw für das Freundschaftsspiel gegen Australien (Mittwoch, 20.30 Uhr, live im Ticker bei tagesspiegel.de) nominiert wurde, habe ihm auch persönlich gut getan, sagt Gündogan. „Ich genieße es.“ Nach 19 Monaten Pause gehört der Dortmunder zum ersten Mal wieder zum Kader der Nationalmannschaft, genauso wie Holger Badstuber vom FC Bayern München, der sogar noch länger fehlte (seit Oktober 2012). „Ich bin beeindruckt davon, wie schnell sie wieder hohes Niveau erreicht haben“, sagt Löw. Trotz einiger Rückschläge hätten beide nie den Optimismus verloren. „Ihre Nominierung ist aber keine Anerkennung dafür, sie ist Belohnung für ihre aktuellen Leistungen.“

Nicht zuletzt auf Gündogans stabilisierende Wirkung wird zurückgeführt, dass Borussia Dortmund jetzt wieder deutlich besser abschneidet als noch in der Hinrunde. „Ich merke, dass ich von Woche zu Woche besser werde“, sagt der Mittelfeldspieler, der in diesem Jahr in elf der zwölf BVB-Pflichtspiele in der Startelf stand. Allerdings ist die Annäherung ans alte Niveau kein linearer Prozess. „Es gibt zwei, drei Spiele, die gut laufen, aber dann gibt es auch immer wieder eins, das nicht so prickelnd ist.“ Aber selbst nicht so prickelnde Spiele sind für Ilkay Gündogan wahrscheinlich immer noch besser, als überhaupt nicht spielen zu können.

Ilkay Gündogan konnte 430 Tage kein Fußballspiel bestreiten

Gündogan selbst spricht von einer langen Leidenszeit, die ironischerweise genau da begonnen hat, wo er an diesem Mittwoch seine Karriere in der Nationalmannschaft wieder aufzunehmen gedenkt: in Kaiserslautern. Der Test gegen Paraguay war „das letzte aktive Spiel, bei dem ich mitgewirkt habe“, sagt er. Und er erinnert sich auch noch, dass ihm damals wegen seiner Rückenprobleme eine Ausfallzeit von vier bis sechs Wochen prognostiziert wurde. Doch als immer neue Rückschläge auftraten und sich die Genesung stetig verzögerte, war selbst vom Schlimmsten die Rede, sogar vom Ende dieser verheißungsvollen Karriere. Erst eine Operation an der Wirbelsäule im vergangenen Sommer hat Gündogan die Wiedereingliederung ins Berufsleben ermöglicht.

Gündogan lag noch im Krankenhaus, als die Nationalmannschaft in Brasilien ihr erstes Gruppenspiel gegen Portugal bestritt – und Shkodran Mustafi als Einwechselspieler zu seinem WM-Debüt kam. „Natürlich tut es weh“, nun kein Weltmeister zu sein, sagt Gündogan. Die Verletzung, die schließlich als Nervenwurzelreizsyndrom identifiziert wurde, erwischte ihn in einer Phase, „wo alles sehr gut lief und ich auf einem richtig guten Weg war: Dadurch war es besonders blöd.“ Im Vergleich zu seinem Vereinskollegen Marco Reus, der sich einen Tag vor dem Abflug nach Brasilien verletzte, habe er aber noch „Glück im Unglück gehabt, weil ich mich relativ früh darauf einstellen konnte“. So hat er die WM aus einer Fanperspektive verfolgt und sich über das erfolgreiche Abschneiden der Deutschen gefreut. „Es war nicht so, dass ich zu Hause lag und Depressionen hatte“, erzählt Ilkay Gündogan. „Weil ich wusste, dass ich ein Teil dieser Mannschaft war.“ Das Erfreuliche ist, dass er jetzt wieder Teil dieser Mannschaft ist. Erfreulich für beide Seiten.

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