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In der Mangel. Pascal Hens (mit Ball) soll das deutsche Team anführen – doch ihm fehlt im Verein die Spielpraxis.

© dpa

Deutsche Handballer: Führungslos in die WM

Vor dem Auftaktspiel bei der Weltmeisterschaft in Schweden am Freitag gegen Ägypten fehlt den deutschen Handballern ein Regisseur.

Eigentlich müsste es wieder so sein wie in der deutschen Handball-Nationalmannschaft von 2002 bis 2004. Dieses Team besaß eine klare Struktur, weil es Führungspersönlichkeiten hatte, die Kraft ihrer Autorität die Gruppenprobleme erst gar nicht entstehen ließen oder unaufgeregt lösten. Christian Schwarzer, Daniel Stephan, Markus Baur oder Volker Zerbe nahmen Bundestrainer Heiner Brand damals viel Arbeit ab, weil sie taktisch genauso dachten. Und dieselbe Mentalität an den Tag legten.

Genau darin liegen die Probleme der Mannschaft, die heute im schwedischen Kristianstad gegen Ägypten (18.15 Uhr, live in der ARD) in die Weltmeisterschaft startet. „Wir haben keine Führungsspieler mehr“, sagt Daniel Stephan, der heute den Zweitligisten HSG Düsseldorf managt. Brand selbst hält dem entgegen, dass Nationalmannschaftskapitän Pascal Hens vom HSV Hamburg, genannt „Pommes“, inzwischen die Funktion übernommen hat, die Schwarzer & Co. einst ausübten.

„Pommes ist einer, zu dem die jungen Spieler aufschauen. Er wird seinen Einfluss auf die Mannschaft geltend machen“, sagt der Bundestrainer. Hens selbst erklärt, er wolle „für gute Stimmung sorgen“. Und dass er selbstredend in der Mannschaft eingreifen werde, „wenn es die Situation erfordert“.

Der Haken an der Sache ist, dass Hens in der Hinrunde der Bundesliga kaum zu Einsatzzeiten gekommen ist, weil ihm der Kroate Blazenko Lackovic vorgezogen wurde. Hens ist nach der Ausbootung von Torsten Jansen mit 175 Länderspielen der erfahrenste deutsche Profi. „Aber er muss sich nach seiner Verletzung um seine Leistung kümmern“, sagt Stephan.

In den meisten Fällen leiten die zentralen Aufbauspieler nicht nur die Angriffe ein, sondern auch die Mannschaft an. Stephan selbst hat diesen Idealtypus eines Regisseurs lange Zeit verkörpert. Michael Kraus, der beste deutsche Nationalspieler auf dieser Position, ist an dieser Aufgabe bei der EM 2010 in Österreich grandios gescheitert. Seine Qualitäten sind Torgefährlichkeit, schneller Antritt und blitzartiger Wurf. Als Führungsfigur aber taugt er, wie er selbst einräumt, eher nicht. Auf die Frage nach dem Kapitänsamt, das er nach den Erfahrungen von Österreich an Hens abgegeben hat, antwortet er: „Lass uns über das nächste Thema reden.“

Rein sportlich nehmen der Halbrechte Holger Glandorf und der Halblinke Lars Kaufmann neben Hens und Kraus den wichtigsten Part im Rückraum der deutschen Nationalmannschaft ein. Doch auch Glandorf „ist eher leise“, wie Stephan sagt, und er hat ebenfalls wie Kaufmann eine Verletzung hinter sich.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Probleme betrachtet Ex-Kapitän Stephan derzeit allein die Torhüter als Führungsfiguren. „Im Tor haben wir echte Typen“, sagt er. „Ich wünschte mir, nur einer davon wäre Feldspieler.“

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