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Trommelwirbel. Am Ende besiegte Robert Harting auch die eigene Anspannung, warf den Diskus 68,04 Meter weit und qualifizierte sich für die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro.

© dpa

Deutsche Leichtathletik-Meisterschaften: Robert Harting geht volles Risiko - und wird belohnt

Robert Harting holt in einem dramatischen Finale den nationalen Meistertitel. Sein ärgster Widersacher war sein Bruder Christoph.

Erst brüllte Robert Harting seine Freude heraus, dann ruderte er mit den Armen und brüllte abermals, diesmal noch lauter. Der Diskuswerfer ließ sich auf die Knie sinken und trommelte mit den Fäusten derart machtvoll auf den Rasen des Auestadions ein, dass die Erschütterungen wohl in ganz Kassel und Umgebung zu spüren waren. Die ganze Anspannung der vergangenen Monate musste raus, schließlich hatte sich der 31-Jährige so viel vorgenommen für diese deutschen Meisterschaften der Leichtathleten. Das hochklassige Diskus-Finale in Kassel hielt, was sich die 15 200 Zuschauer versprochen hatten. Mehrmals wechselte die Führung, Harting schien geschlagen, noch dazu von seinem kleinen Bruder – und trumpfte am Ende doch wie zu seinen besten Zeiten auf.

Im letzten Versuch schleuderte der Olympiasieger den Diskus auf 68,04 Meter. Die Weite bedeutete den Sieg, seinen neunten deutschen Meistertitel, Platz drei der Weltjahresbestenliste – und die von Harting so ersehnte direkte Qualifikation für die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro. „Für diesen Tag hat es sich schon mal gelohnt zurückzukommen“, sagte Harting. „Mir glühte der Hintern im letzten Versuch. Ich habe dann mit vollen Risiko geworfen, das kann auch mal daneben gehen. Heute hat es geklappt.“ So weit wie am Samstag hatte der Berliner seit seinem Comeback zu Beginn des Jahres noch nicht annähernd geworfen. Zweiter wurde der sechs Jahre jüngere Christoph Harting mit 66,41 Meter, Platz drei ging an Daniel Jasinski aus Magdeburg mit 65,18 Meter.

"Alle Adern, die verkalkt waren, sind jetzt wieder durchblutet“

Robert Harting hatte vor den nationalen Titelkämpfen von „richtigen Armageddon-Meisterschaften“ gesprochen. Er wollte sich den Meistertitel unbedingt von seinem Bruder zurückholen und dadurch vermeiden, an den Europameisterschaften im Juli in Amsterdam teilnehmen zu müssen, um sich für das deutsche Olympiateam zu qualifizieren. Nach seinem Kreuzbandriss im September 2014 und der langwierigen Rehabilitation hatte sich Harting im Februar mit dem Sieg beim Istaf Indoor zurückgemeldet, ebenfalls mit einem Siegwurf im letzten Wurf. In der Vorbereitung auf die olympische Saison stoppten ihn dann aber ein Muskelfaserriss im Brustmuskel und eine Entzündung im rechten Knie. Rund sechs Wochen vor dem Beginn der Sommerspiele fehlen ihm also etliche Würfe und Trainingseinheiten, eine Teilnahme an der EM hätte seinen Fahrplan zurück in Weltspitze empfindlich gestört. „Um meinen Leistungsstand anzuheben, muss ich drei bis vier Wochen länger trainieren als die anderen“, erklärte Harting.

Vor dem Wochenende in Kassel standen die Chancen auf den Meistertitel allerdings nicht allzu gut: Harting ging nur mit der fünftbesten Weite ins Finale der besten deutschen Diskuswerfer. Lange Zeit sah es so aus, als würde Harting eine Niederlage hinnehmen müssen. Jasinski führte zunächst, dann schob sich Christoph Harting im sechsten Versuch auf Platz eins, der 2,07-Meter-Hüne bedankte sich für den Applaus mit einem Knicks. „Diese Weite habe ich mir nicht zugetraut“, sagte Robert Harting. „Ich habe gedacht: Eigentlich kannst du das nicht werfen.“ Dann allerdings fand der dreimalige Weltmeister doch wieder einen Weg und setzte einen fulminanten Schlusspunkt unter einen packenden Wettkampf. „Dieser Wurf eröffnet mir ein ganz anderes Selbstvertrauen-Niveau, das wird mir in den nächsten Wochen extrem helfen“, sagte Robert Harting. „Alle Adern, die verkalkt waren, sind jetzt wieder durchblutet.“

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