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Spät aber stark aufgetaucht. Paul Biedermann ist erst am dritten Tag bei den deutschen Meisterschaften eingestiegen, sicherte sich aber gleich seinen 40. Meistertitel.

© imago/Annegret Hilse

Deutsche Meisterschaften im Schwimmen in Berlin: Paul Biedermann und der vorlaute Vogel

Paul Biedermann bleibt das Idol im deutschen Schwimmen – und profitiert von junger Konkurrenz wie dem 20-jährigen Florian Vogel.

Florian Vogel ist gerade erst aus dem Wasser geklettert, der 20-Jährige strahlt vor Freude über seinen ersten deutschen Meistertitel auf der Langbahn. Der Münchner hat das Finalrennen über 400 Meter Freistil klar dominiert und die weltweit sechstbeste Zeit des Jahres abgeliefert, er kann sein Glück kaum fassen – und denkt doch gleich auch noch an jemand anderen. „Ich hoffe, dass Paul sich das angeguckt hat“, sagt Vogel grinsend. Im Wasser neben sich musste Vogel am Freitagabend auf Paul Biedermann verzichten, im Kopf hatte er sein Vorbild aber schon.

Auch wenn Biedermann nicht selbst durchs Schwimmbecken pflügt, ist er bei den Deutschen Meisterschaften in der Schwimmhalle an der Landsberger Allee immer präsent. Der 28-Jährige betont immer wieder, nicht der Anführer der deutschen Mannschaft oder die von Chef-Bundestrainer Henning Lambertz geforderte „Galionsfigur“ sein zu wollen. Kraft seiner vergangenen Erfolge kommt er aus dieser Rolle aber nicht heraus. Für seinen potenziellen Nachfolger Florian Vogel jedenfalls ist Biedermann immer noch die wichtigste Referenzgröße. Im Rahmen des Staffelprojekts des Deutschen Schwimm-Verbands, mit dem Lambertz schlagkräftige Mannschaften für die WM in Kasan im Sommer und für Olympia 2016 in Rio de Janeiro formen will, haben Vogel und Biedermann zuletzt mehrfach miteinander trainiert. „Es ist wahnsinnig, wie sehr ich davon profitiere“, sagt Vogel beinahe ehrfürchtig. „Ich habe super Trainingspartner in München. Aber mit dem Weltrekordler zu trainieren – was willst du mehr?“

Biedermann und Vogel "wie Bud Spencer und Terence Hill"

Biedermann selbst gibt das Kompliment gerne zurück. Man merkt dem ruhigen Hallenser den Spaß an, wenn er über die Trainingsduelle mit dem eher vorlauten Vogel spricht. „Ich profitiere genauso von ihm. Das Trainingsniveau, das wir zusammen geschwommen sind, habe ich jahrelang nicht erreicht“, sagt Biedermann. „Wir pushen uns gegenseitig, es ist erfrischend. Der Junge hat absolut was drauf. Das hat er hier in Berlin gezeigt.“ Bundestrainer Lambertz verfolgt den Austausch der beiden Kraulschwimmer mit großem Wohlwollen und spricht ihnen sogar das große Lob aus, sie seien „wie Bud Spencer und Terence Hill“.

Freistilspezialist Biedermann verzichtet in diesem Jahr auf die 400 Meter – was den Weg zum Titel für Vogel freimachte – und tritt in Berlin nur über 200 Meter und 100 Meter an. Über die kürzere Distanz gewann er am Samstagabend in 49,24 Sekunden souverän den Endlauf und sicherte sich den 40. deutschen Meistertitel seiner Karriere. Dass er erst am dritten von vier Tagen in die nationalen Titelkämpfe eingestiegen ist, war für Biedermann noch neu. „Aber ich gewöhne mich dran“, sagt er. „Ich will dieses Jahr einfach mal probieren, wie das ist: die 100 und die 200 ohne die Belastung der 400 vorneweg. Und dann Richtung Olympische Spiele hoffentlich alles richtig machen.“

Nach den Olympischen Spielen 2016 in Rio soll für Biedermann Schluss sein

Vor sechs Jahren erlebte Biedermann in Rom mit zwei WM-Titeln und zwei heute noch gültigen Weltrekorden den Höhepunkt seiner Karriere, trotz vieler Erkrankungen und einiger Rückschläge hat er den Spaß am Schwimmen immer noch nicht verloren. Nach den Olympischen Spielen 2016 in Rio soll aber Schluss sein, spätestens dann muss die nächste Generation im deutschen Schwimmen bereit stehen, um die Lücke zu füllen.

Am Sonntag hat Florian Vogel die Chance, sich über 200 Meter Freistil an Biedermann im direkten Vergleich abzuarbeiten. Noch wirkt der fast einen Kopf kleinere Münchner, der gestern auch über die nicht-olympischen 800 Meter Deutscher Meister wurde und dabei sechs Sekunden unter seiner persönlichen Bestleistung blieb, im Vergleich zur Statur des gestandenen Weltklasseschwimmers Biedermann schmächtig.

„Ich bin nicht der Allergrößte oder Allerbreiteste, ich versuche das noch mit meiner Ausdauer wettzumachen“, sagt Vogel. „Aber ich muss mich auch über 200 Meter nicht verstecken und kann da offensiv mitspielen.“ Noch ist Biedermann der klare Favorit, er hat aber nichts dagegen, dass das Selbstbewusstsein der Konkurrenten im eigenen Team langsam wächst. Und Florian Vogel kann nach seinen beiden beeindruckenden Siegen gänzlich ohne Ehrfurcht neben Biedermann ins Wasser springen. „Schenken tu ich dem nix“, sagt Vogel und muss beim Gedanken daran schon wieder grinsen.

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