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Es ist geschafft. Nach dem 3:2-Sieg im Doppel am 17. Dezember 1988 bejubeln Jelen (l.) und Becker den deutschen Triumph.

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Deutscher Davis-Cup-Sieger Eric Jelen im Interview: „Wir hatten die breite Masse gewonnen“

Vor 25 Jahren holte das deutsche Tennisteam um Boris Becker den Davis-Cup. Im Interview mit dem Tagesspiegel erinnert sich Eric Jelen, der mit Becker den entscheidenden Punkt holte.

Herr Jelen, vor 25 Jahren haben Sie mit der deutschen Mannschaft zum ersten Mal den Davis-Cup gewonnen. Den entscheidenden dritten Punkt holten Sie mit Boris Becker im Doppel. Können Sie sich noch an den letzten Ballwechsel erinnern?
Natürlich. Wir waren im fünften Satz. Ich hatte Aufschlag, Boris hat den Return cross volliert und verwandelt. Danach sind alle auf den Platz gestürmt: unser Kapitän Niki Pilic, Charly Steeb, Patrik Kühnen. Boris hat mich in die Arme genommen und hochgehoben. Für mich war das der größte Erfolg in meiner Karriere.

In Deutschland wurde der Davis-Cup-Sieg damals in eine Reihe mit dem WM-Titel von Max Schmeling oder mit dem Wunder von Bern gestellt. Diese Vergleiche kann man sich heute kaum mehr vorstellen.
Tennis war 1988 absolut top. Durch den Wimbledon-Sieg von Boris drei Jahre zuvor hatte Tennis einen ganz anderen Stellenwert bekommen. Ab 1985 interessierte sich auch die breite Masse für Tennis, zuvor war es ja eine eher elitäre Sportart. Und unser Davis-Cup-Sieg hat das noch mal verstärkt.

Sie kehrten als Helden vom Finale gegen Schweden in Göteborg zurück.
Bundespräsident Richard von Weizsäcker hat uns in der Villa Hammerschmidt in Bonn empfangen, das war eine große Ehre für uns. In meiner Heimatstadt Trier wurde ich vom Bürgermeister geehrt, eine Bäckerei hatte mir die Davis-Cup-Trophäe als Torte gebacken.

Wieso war der Titel so sensationell?
Wir waren krasser Außenseiter. Schweden hatte in Mats Wilander die Nummer eins der Weltrangliste. Wilander hatte 1988 drei Grand-Slam-Turniere gewonnen, wir mussten auf Sand gegen ihn spielen. Stefan Edberg war damals die Nummer drei der Welt, Edberg/Jarryd waren eines der weltbesten Doppel.

Wie ist Ihnen die Überraschung gelungen?
Wir waren einfach ein super Team. Wir haben vorher eine Woche lang zusammen trainiert, hart gearbeitet – aber auch viel Spaß zusammen gehabt. Niki Pilic hat uns zusammengeschweißt. Dieser Teamspirit und die Vorfreude auf das Finale waren ausschlaggebend dafür, dass Charly Steeb zum Auftakt Wilander schlagen konnte. Das Wichtigste war, dass wir vier Freunde waren. Das sind wir auch heute noch. Auch Boris hat sich in das Team integriert, ohne Sonderwünsche.

Becker war leidenschaftlich, Sie eher ruhig. Wie hat das im Doppel funktioniert?
Wir haben uns außerhalb des Platzes super verstanden, das hat sich in den Matches widergespiegelt. Boris war zwar der Superstar, ich war in seinem Schatten. Das hat er mich aber nie spüren lassen, für ihn war ich immer ein gleichwertiger Spieler.

In der heutigen Tenniswelt scheinen solche Freundschaften eher selten zu sein.
Die Profis sind heute mit einem größeren Stab unterwegs: Trainer, Manager, Physio, Familie. Das war bei uns anders. Meine Eltern haben gearbeitet, die waren nicht überall dabei. Ich habe mich gefreut, die anderen bei Turnieren zu treffen. Vor den Australian Open habe ich Charly Steeb angerufen und gesagt: Sieh mal zu, dass wir im selben Flieger sitzen. Sonst sind wir beide alleine unterwegs – und zu zweit sind die 25 Stunden einfach lustiger.

Den Grundstein für den Erfolg von Göteborg haben sie 1987 in Hartford, Connecticut gelegt, als Sie in der Relegation die USA besiegt haben. Wie wichtig für Ihr Selbstbewusstsein war dieser Erfolg?
Wer weiß, vielleicht hätte Becker in der zweiten Division gar nicht für Deutschland gespielt. Insofern war Hartford enorm wichtig. Von der Bedeutung und der Anspannung her habe ich dort sicher das wichtigste Einzel meiner Karriere gespielt: Ich war die Nummer 60 der Welt und habe Tim Mayotte, die Nummer sechs oder sieben, überraschend besiegt.

Dann spielte Becker gegen John McEnroe ein Marathon-Match, das er nach 6:21 Stunden 4:6, 15:13, 8:10, 6:2, 6:2 gewann.
Das war eines der besten Tennisspiele, das ich je gesehen habe. Für viele Zuschauer war Hartford das spannendste Davis-Cup-Match aller Zeiten.

Die Stimmung war aufgeheizt, die Amerikaner haben sich nicht ganz fair verhalten.
John McEnroe ist ein extrovertierter Typ, der kann ein Publikum richtig mitreißen. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Ich mag John sehr gerne, außerhalb vom Platz ist er ein sehr angenehmer Mensch. Auf dem Platz ist er gewöhnungsbedürftig. Er war aber immer der Tennisspieler, dem ich am liebsten zugeschaut habe.

Neben Ihrem Triumph holte Steffi Graf 1988 den Golden Slam, also alle vier Grand-Slam-Titel und den Olympia-Sieg. War das deutsche Tennis in diesem Jahr auf seinem absoluten Höhepunkt?
Was Steffi damals geleistet hat, war einmalig. Es war aber nicht nur 1988: Ein Jahr vorher haben die deutschen Frauen den Fed-Cup geholt, 1989 hat Boris Wimbledon und dazu die US Open gewonnen, wir hatten wichtige Turniere in Deutschland, es wurde so viel Tennis im Fernsehen gezeigt … Das ist ja ein bisschen das Traurige heute: So tolle Matches wie die von Sabine Lisicki in Wimbledon kann man im Öffentlich-Rechtlichen gar nicht mehr sehen.

Tut es Ihnen weh, wie wenig die aktuellen deutschen Spitzenspieler am Davis-Cup interessiert sind?
Ich finde das sehr schade. Für mich war es immer das Schönste, für mein Land zu spielen. Aber jeder hat seine Gründe, ich will das nicht verurteilen. Für manche ist es wichtiger, sich auf Paris vorzubereiten oder eine Pause einzulegen. Ich habe auch mal Pause gemacht – aber der Davis-Cup hatte oberste Priorität.

Ihre höchste Weltranglistenplatzierung war Rang 23, Sie haben ein einziges Profiturnier gewonnen, in Bristol. 1993 hat die „Zeit“ ein Porträt über Sie veröffentlicht. Der Titel: „Der dritte Mann“. Hat es Sie gestört, dass Sie nie aus dem Schatten von Becker und Stich treten konnten?
Überhaupt nicht. Das ist aber auch mein Naturell. Ich habe mich in der Rolle wohl- gefühlt, ich muss nicht ganz vorne stehen.

Bei Boris Becker ist das anders. In letzter Zeit hat er hauptsächlich mit familiären Streitigkeiten und anderen Fehltritten auf sich aufmerksam gemacht.
Ich habe immer noch eine sehr gute Beziehung zu Boris, wir sind befreundet, ich habe mehrere Jahre für ihn gearbeitet. Wie man sein Leben nach der Sportkarriere gestaltet, muss jeder selber wissen. Man darf nicht vergessen: Boris steht im Fokus, seit er 17 Jahre alt ist. Seitdem wird alles kommentiert, was er tut oder sagt.

Eine letzte Frage. Nach Ihrem Sieg hat Bundespräsident von Weizsäcker über die Davis-Cup-Trophäe gesagt: „Ein Kunstwerk muss nicht schön sein, um sich tief in die Herzen der Menschen einzugraben.“ Herr Jelen, Sie waren ganz nah dran: Ist das Ding wirklich so hässlich?
Das ist Geschmackssache. Das Original ist natürlich gewaltig... Ich würde eher sagen: Es ist markant.

Eric Jelen, 48, war bis 1992 als Tennisprofi aktiv. Seine größten Erfolge waren die Davis-Cup-Siege 1988 und 1989. Seine beste Platzierung in der Einzel-Weltrangliste war Platz 23.Das Gespräch führte Lars Spannagel.

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