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Deutschland-Achter: Experiment grandios gescheitert

Unser Ruderexperte Frank Bachner analyisert das Debakel des Deutschland-Achters.

Katastrophe, Debakel, kapitaler Schiffbruch, Super-Gau - von den sonst oft klischeehaft verwendeten Begriffen passt in diesem Fall jeder einzelne. Der Deutschland-Achter, Symbol- und Imageträger des deutschen Ruderns, ist im Hoffnungslauf ins Ziel gekommen, das ist noch die beste Nachricht des Boots. Geht man ins Detail, wird es richtig frustrierend: Der Achter schob sich als Letzter über die imaginäre Ziellinie, mit acht Sekunden Abstand auf den Sieger USA. 2006 wurde der Achter Weltmeister, 2007 Vize-Weltmeister, 2008 eine traurige Nummer. Ein Experiment ist grandios gescheitert, eines, das es in der Geschichte des Achters noch nie gegeben hatte: Zwei Monate vor den Olympischen Spielen sind sechs Mann, alle Weltmeister, aus dem Boot geflogen. Umbesetzungen hatte es im Achter schon oft gegeben, aber so radikal waren sie noch nie.

Alles aus Angst vor einer Pleite in Peking. Der Achter mit den sechs Weltmeistern an Bord war schlecht in die Saison gestartet, er hatte dann auch noch in Luzern zehn Sekunden Rückstand auf die starken Kanadier, es musste etwas passieren, das war klar. Die sechs Weltmeister im Boot wollten, dass die Original-Besatzung der WM 2006 wieder zusammen rudert. Eine seltsam besetzte Verbands-Kommission, die über die Mannschaft bestimmt, entschied aber: alles muss raus, Totalumbau.

Am Schlag saß jetzt Andreas Penkner, Schlagmann schon im Achter, der bei der WM 2005 Bronze gewann. Er ist der erfahrenste Ruderer im Boot, aber seine Routine hat nicht gereicht. Wahrscheinlich war auch die Zeit, in der die Besatzung zusammen trainierte, zu kurz. Schließlich haben die Acht noch nie gemeinsam in einem Boot gesessen. Die ausgebooteten Athleten schimpften öffentlich über Sportdirektor Michael Müller und die gesamte Verbandsführung, Müller verwies empört auf die miesen Leistungen der Weltmeister, und der neue Cheftrainer Christian Vieth erklärte pflichtgemäß optimistisch: „Die Medaillenchance ist sicher da." Die Medaillenchance ist ganz sicher nicht da, sagte Thorsten Engelmann aus Berlin, einer der Weltmeister von 2006. Deshalb hielt er sich auch nicht als Ersatzmann bereit. Müller hatte ihm angeboten, zum erweiterten Kader des Achters zu gehören.

Die spannende Frage war natürlich: Wäre ein Boot mit den Weltmeistern schneller als die neuformierte Crew? Schließlich hatte der alte Achter beim Weltcup in München nur Platz vier erreicht und wurde in Luzern gedemütigt? Engelmanns Antwort darauf war einfach: Beim Weltcup in Posen, dem letzten vor Peking, solle doch einfach der WM-Achter gegen den neuformierten Achter fahren. Dann werde man ja sehen, wer schneller ist. Abgelehnt, erwiderte Sportdirektor Müller. „Wir wollen einen unbelasteten Neuanfang mit den unbestritten stärksten Leuten."

Die unbestritten stärksten Leute saßen im Boot, das schon, die Leute nämlich, die in den Ausscheidungen im Zweier im Frühjahr die besten Ergebnisse hatten. „Aber die besten Individualisten in ein Boot zusetzen ergibt eben noch nicht ein starkes Mannschaftsboot", sagt Engelmann. Da geht es um Gefühl, um Harmonie, vor allem aber um Erfahrung mit Drucksituationen. Engelmann war acht Jahre im Achter, er kennt den Olympiastress, einige seiner ausgebooteten Kollegen auch. Außerdem, sagt er, seien die Ergebnisse in München und in Luzern aus dem Training heraus gefahren worden.

Aber zehn Sekunden Rückstand sind schon heftig. Und Müller hatte, seiner Aussage nach, vor Luzern erklärt: „Wenn der Achter acht Sekunden Rückstand hat, wird umgebaut." Cheftrainer Dieter Grahn wurde gleich mit umgebaut, er ist nun Disziplintrainer Riemen.

Doch es nützte nichts, der Deutschland-Achter bleibt seit 1996 ohne Medaille bei Olympischen Spielen. Sieben der Weltmeister von 2006 werden daran nicht mehr ändern können: Sie sind gestern, vereint im Frust, gemeinsam zurückgetreten.

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