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Starspieler Georg Grozer ist der zweitbeste Aufschläger bei der WM.

© dpa

Deutschland bei der Volleyball-WM: Ein Schritt näher an die Weltspitze

Für Olympiasieger Russland und Weltmeister Brasilien reicht es noch nicht, aber die deutschen Volleyballer haben bei der WM bewiesen, dass sie näher an die Weltspitze herangerückt sind.

Bundestrainer Vital Heynen hockte in der brodelnden Spodek-Arena von Katowice fast beschwörend am Spielfeldrand und redete auf seine Spieler ein. Im dritten Satz provozierte er bei einer strittigen Entscheidung samt Videobeweis sogar den zweiten Schiedsrichter. Doch alles half nichts, Olympiasieger Russland um den überragenden 2,18-Meter Riesen Dmitri Muserski war beim 0:3 (17:25, 18:25, 24:26) nicht nur körperlich (noch) eine Nummer zu groß für die deutschen Volleyballer. Nach sechs Siegen in Folge riss die längste Erfolgsserie einer schwarz-rot-goldenen Auswahl bei einer Weltmeisterschaft seit 44 Jahren.

„Wir haben mit Brasilien und Russland die stärksten Teams in der Gruppe. Gegen die beiden Mannschaften haben wir nur mit Glück eine Chance“, bilanzierte Heynen auch mit Blick auf die 0:3-Auftaktpleite gegen Titelverteidiger Brasilien: „Ich habe schon vor der WM gesagt, dass Russland und Brasilien im Finale gegeneinander spielen werden.“ Vor Beginn der Titelkämpfe hatte der Belgier auch offensiv eine Medaille als Ziel für seine Mannschaft ausgegeben. Die erste seit dem WM-Titel der DDR im Jahr 1970. Zumindest der Einzug in die Runde der letzten sechs – und damit die beste WM-Platzierung seit Platz vier der DDR vor 40 Jahren - war vor dem abschließenden Zwischenrundenspiel am Sonntagabend gegen Kanada noch möglich.

Vital Heynen bucht die Weltmeisterschaft aber in jedem Fall schon jetzt als weiteren Schritt nach vorn ab. „Wir sind auf jeden Fall wieder ein Stück gewachsen. Bei der Europameisterschaft vor einem Jahr sind wir unter den letzten Acht ausgeschieden. Hier gehören wir zu den besten acht Teams der Welt und zu den besten vier Mannschaften Europas“, kommentierte er: „Außerdem haben wir hier in einem entscheidenden Spiel Bulgarien geschlagen.“ Bei den Olympischen Spielen 2012 wie der Europameisterschaft 2013 war die deutsche Mannschaft im Viertelfinale noch gegen den Angstgegner ausgeschieden, diesmal gab es einen 3:1-Erfolg.

Ein weiterer Schritt Richtung Weltspitze

Nur ein Symptom dafür, dass die Volleyballer um Starspieler Georg Grozer tatsächlich ein Stück weiter in Richtung absolute Weltspitze vorangekommen sind. Bei der WM vor vier Jahren hatten die Volleyballer Platz acht belegt, aber nur vier ihrer neun Spiele gewonnen und dabei nicht überzeugt. Bei dieser WM stehen zumindest sechs Erfolge in neun Spielen und eine über weite Strecken starke Leistung zu Buche. Auch die Spitzenpositionen der Leistungsträger in den Top-3 der WM-Statistik bis einschließlich Samstag – Georg Grozer Zweiter bei den besten Aufschlägern, Dennis Kaliberda Dritter bei den besten Angreifern und Marcus Böhme Dritter bei den besten Blockern - sprechen für die gewachsene Klasse der Spieler. 

Jetzt müssen nur noch große Mannschaften in den entscheidenden Spielen geschlagen werden. „Ich habe ja gesagt, dass wir bis Olympia 2016 auf jeden Fall eine Medaille gewinnen wollen. Und wenn du das spätestens in Rio schaffen willst, musst du vorher zumindest mal in der Nähe gewesen sein und den Druck gespürt haben“, so Heynen: „Zumindest das ist uns bei dieser WM auf jeden Fall gelungen. Immer mehr in der Mannschaft und im Umfeld glauben wirklich daran, dass wir das mit der Medaille wirklich schaffen können.“

Um diese Mentalität beim deutschen Team zu erzeugen, tut der umtriebige Mann, dessen Mundwerk nie stillzustehen scheint, nicht nur verbal alles. Im Trainingslager vor der WM in Kienbaum ließ er überall Medaillen aufhängen, damit die Spieler ständig damit konfrontiert werden.

Zudem gibt es seit der WM-Qualifikation das sogenannte Projekt YOLO, mit dem der Deutsche Volleyball-Verband auch in den sozialen Medien Facebook und Twitter offensiv wirbt.  Die Idee dafür geht auf die Tochter des Bundestrainers zurück. Bente hatte Mutter Heynen gefragt ob die WM-Endrunde in den Ferien sei. Als diese das verneinte und ihrer Kleinen den normalen Schulbesuch in Aussicht stellte, antwortete die nur mit einem Wort: „YOLO“. Das heißt ausgeschrieben „You only live once“. Übersetzt: Du lebst nur einmal. Für Bente heißt das in diesen Tagen in Polen: WM statt Schule.

Das Mädchen hat gute Chancen, dass sie bis spätestens 2016 weitere Großereignisse erlebt. Zum einen macht die Leistung der deutschen Volleyballer Hoffnung darauf. Zum anderen hat ihr Vater vom Verbandschef Thomas Krohne eine Jobgarantie bis zumindest den Olympischen Spielen in Rio bekommen: „Vital ist genau der richtige Mann. Er weiß genau, woran wir noch arbeiten müssen und hat die Mannschaft nach vorn gebracht.“

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Lars Becker

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