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Nimm du ihn, aber ich bin auch noch da. Mats Hummels (links) und Jerome Boateng zählen zu den besten Innenverteidiger-Duos der Welt – künftig könnten sie sogar noch stärker werden, wenn sie regelmäßig auch für ihren Verein Bayern München zum Einsatz kommen.

© AFP/Bonaventure

Deutschland gegen Nordirland: WM-Qualifikation: Hinten dicht

Die deutsche Fußballnationalmannschaft ist defensiv so stabil wie lange nicht – das liegt auch an Jerome Boateng und Mats Hummels.

Benedikt Höwedes schien sichtlich Gefallen an seiner neuen Aufgabe gefunden zu haben. Der Schalker blieb nicht stur an der Seitenlinie, er suchte immer wieder den Weg in den Strafraum und hatte in der Schlussphase des WM-Qualifikationsspiels gegen Tschechien sogar noch zwei gute Gelegenheiten, den ohnehin klaren Sieg noch ein bisschen klarer zu gestalten. Wenn man Höwedes’ Position in den 25 Minuten, die er nach seiner Einwechslung mitspielen durfte, in ein taktisches Schema eingezeichnet hätte, wäre es vermutlich auf den Posten des Linksaußen in der traditionellen holländischen Interpretation hinausgelaufen.

In Wirklichkeit ist Benedikt Höwedes Innenverteidiger.

Für den 28-Jährigen ist es keine ganz neue Erfahrung, dass er sich immer mal wieder in neuen Rollen versuchen darf. In seinem Verein spielt er oft als rechter Verteidiger, und bei der WM vor zwei Jahren war er das linke Glied in einer Viererkette, die allein aus Innenverteidigern bestand. Höwedes hat damals alle Spiele von Anfang an bestritten, ist als Linksverteidiger Weltmeister geworden, und doch hegt er noch immer den innigen Wunsch, endlich dauerhaft in der Abwehrzentrale aufzulaufen. Zumindest in der Nationalmannschaft dürfte sein Wunsch dauerhaft unerfüllt bleiben.

Es ist in Deutschland so etwas wie fußballerisches Allgemeinwissen, dass das Land den besten Torhüter der Welt (Manuel Neuer) hervorgebracht hat. Inzwischen deutet aber auch einiges darauf hin, dass die beste Innenverteidigung der Welt aktuell ebenfalls bei uns beheimatet ist. Viel Besseres als Jerome Boateng und Mats Hummels wird sich im internationalen Fußball kaum finden lassen. Zum Leidwesen von Benedikt Höwedes.

Hummels ist in diesem Sommer von Borussia Dortmund zu Bayern München gewechselt, was für Bundestrainer Joachim Löw den positiven Nebeneffekt hat, dass seine beiden Innenverteidiger jetzt nicht nur alle paar Wochen mal ein paar Trainingseinheiten bei der Nationalmannschaft miteinander bestreiten, sondern auch im Verein regelmäßig miteinander üben. „Wir kennen uns schon gut“, sagt Hummels über die Zusammenarbeit mit Boateng. „Aber es ist noch ein bisschen Potenzial drin in der ganzen Verbindung.“

Paradoxerweise haben beide erst am Samstag zum ersten Mal in dieser Saison gemeinsam auf dem Platz gestanden – und das nicht etwa bei den Bayern, sondern in der Nationalelf. Boateng war zu Beginn der Spielzeit verletzt, zuletzt fehlte dann Hummels wegen diverser Wehwehchen. Insgesamt dreimal ist der eine bei den Bayern für den jeweils anderen eingewechselt worden. Zweimal ersetzte Hummels Boateng, einmal war es umgekehrt. Ob beide heute im WM-Qualifikationsspiel gegen Nordirland wieder zur Startelf gehören, ist zumindest fraglich. Boateng fehlte gestern beim Abschlusstraining, Bundestrainer Joachim Löw äußerte sich allerdings zuversichtlich, dass der Münchner in Hannover auflaufen kann.

Hummels und Boateng sind schon 2009 gemeinsam mit der U 21 Europameister geworden

Beide Innenverteidiger kennen sich schon eine halbe Ewigkeit: Hummels und Boateng sind 2009 gemeinsam mit der U 21 Europameister geworden, 2014 mit der A-Nationalmannschaft dann Weltmeister. „Wir kommunizieren sehr gut miteinander“, sagt Hummels, der das Zusammenspiel mit Boateng „aktuell auf einem sehr hohen Niveau“ verortet. Defensive Schwächen, die sich über die Jahre und unterschiedliche Besetzungen hinweg verlässlich durch die Amtszeit von Bundestrainer Löw gezogen haben, mussten schon länger nicht mehr thematisiert werden. In den jüngsten zehn Begegnungen spielte die Nationalmannschaft acht Mal zu null. Und von den insgesamt drei Gegentreffern fielen zwei durch Elfmeter.

Die Gefahr, dass Nordirland diese schöne Bilanz verhageln wird, ist als nicht besonders hoch einzuschätzen. Bei der Europameisterschaft im Sommer sind beide Teams zuletzt aufeinander getroffen, damals ermauerte sich der Außenseiter eine ehrenvolle 0:1-Niederlage. „Die Nordiren haben sehr tief gestanden bei der EM“, erinnert sich Mats Hummels. „So erwarte ich sie auch jetzt wieder.“

Für die neue defensive Stabilität ist in erster Linie eine entsprechende Haltung der gesamten Mannschaft verantwortlich, in letzter Instanz aber eben auch die Innenverteidigung mit Torhüter Neuer dahinter. Boateng und Hummels sind inzwischen so aufeinander abgestimmt, dass sie sich perfekt ergänzen. Beim 3:0-Sieg gegen Tschechien am Wochenende waren sie die beiden prägenden Figuren im deutschen Spiel. Mit ihren präzisen Diagonalbällen aus der Abwehr waren sie so etwas wie die Spielmacher aus der letzten Reihe. Darüber hinaus aber haben sie auch ihre eigentlichen Aufgaben nie vernachlässigt.

Hummels hatte in der ersten Hälfte einen kleinen Wackler in seinem Spiel, als er als letzter Mann beinahe den Ball vertändelte, die Gefahr im Nachfassen aber wieder bereinigte. Kurz vor Schluss brachte er dann noch seinen Fuß in einen Schuss des Hoffenheimers Pavel Kaderabek und lenkte den Ball zur Ecke. Besondere Anerkennung aber hatte er dafür nach eigener Einschätzung nicht verdient. „Ich habe mich breit gemacht und anschießen lassen“, sagte Mats Hummels. „Die gute alte Torhüterschule.“

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