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Alle wissen sowieso immer alles besser als: Jogi Löw.

© Armando Babani/dpa

Deutschland - Italien im Public Viewing: Joachim Löw: Von nix Ahnung, aber Weltmeister

Unser Kolumnist und Kabarettist Frank Lüdecke hat schon angenehmere Fußballspiele als Deutschland gegen Italien gesehen - was zuvorderst am Sitznachbarn lag.

Na endlich. Das Trauma ist überwunden! Das Gesetz der Serie beendet, das Tabu gebrochen! Seit der Renaissance hatte keine deutsche Fußballauswahl mehr in einem großen Turnier gegen die Italiener gewinnen können. Seit Jahrhunderten rätseln die Experten, woran das nur liegen mag. Aber von Goethe bis Béla Réthy – man fand keine Erklärung für dieses Phänomen. Bis zum Samstagabend gerieten deutsche Fußballfans schlagartig in eine Art kollektive Schockstarre, wenn sie Namen wie Balotelli hörten, del Piero, Rivera oder die irgendwelcher Verwandten von Michelangelo.

Das ist nun vorbei.

Insbesondere die Schlussphase hatte es in sich. Und sie offenbarte das gewachsene Selbstvertrauen des Weltmeisters. Es war einfach schön anzusehen, wie die Leitwölfe des deutschen Teams selbstlos bereit waren, Verantwortung abzugeben. Sie wollten deutlich machen: Wir haben hier so viele gute Spieler. Hier kann jeder einen Elfmeter schießen! Und so versemmelten die Arrivierten geradezu nonchalant ihre Strafstöße, damit sich auch mal die Jüngeren in einer Stresssituation beweisen konnten.

„Scheiß-Italiener! Ihr seid nur Scheiß-Italiener!"

Ich hatte das große Vergnügen, das Spiel live zu sehen. Hinter mir befand sich ein deutscher Fan, der allen Sitznachbarn in einem zwanzigminütigen Monolog darlegte, warum Jogi Löw ein absoluter Idiot ist. Aber was für einer! Von nix ’ne Ahnung, der Löw. Ich weiß nicht, ob dieser Mann in seinem Beruf erfolgreich ist – aber Jogi Löw ist mit Sicherheit erfolgreich. Weltmeister, in jedem großen Turnier mindestens das Halbfinale erreicht und jetzt die Italiener geschlagen. Klar, die Mannschaft hat nicht die Qualität von vor zwei Jahren, aber sie haben das Beste daraus gemacht. Kann man auch mal anerkennen, so was.

Public Viewing kann unschön sein - wenn die Fans nerven.
Public Viewing kann unschön sein - wenn die Fans nerven.

© dpa

Und als deutscher Fan muss man auch nicht alle 10 Minuten „Scheiß-Italiener! Ihr seid nur Scheiß-Italiener!" singen. Oder „Sieg“ brüllen. Da ist noch jede Menge Luft nach oben. Könnte man auch mal analysieren. Irgendwie passen diese Gesänge auch nicht zum filigranen Stil der Mannschaft. Oder andersrum: Würde sich das Spiel der deutschen Mannschaft auf dem Niveau seiner Fangesänge bewegen, wären wir bereits in der Vorrunde ausgeschieden, mit Jogi, dem Idioten.

Frank Lüdecke

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