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Joachim Löw kann mit der Niederlage leben, zufrieden war der Bundestrainer mit dem Spiel seiner Mannschaft aber nicht.

© dpa

Deutschland nach dem 2:3 gegen England: Laxer Larifari-Fußball statt Elan und Ernsthaftigkeit

Seit dem Titel in Brasilien eiert der Weltmeister mehr oder weniger durch die Fußballstadien dieser Welt. Dabei kann die Mannschaft viel mehr, sie muss es nur mal wieder zeigen. Eine Analyse.

Thomas Müller hatte mal keine so gute Laune – und auch allen Grund dazu. „Wir sind nicht aus dem Testspielbetrieb rausgekommen. Vor allem, wenn es um die unangenehme Defensivarbeit geht“, sagte der 26 Jahre alte Münchner Nationalspieler. Als die Länderspielnacht von Berlin in den nächsten Tag kippte, fasste Müller sich hinters Ohr und blieb nach der 2:3-Niederlage des Weltmeisters im Test gegen England kleinlaut wie einsichtig. „Wir müssen wieder gieriger auf Sieg spielen und es nicht so über uns ergehen lassen.“

In den Katakomben des Olympiastadions haben die deutschen Nationalspieler eine bessere, weil ehrlichere Figur gemacht als sie es zuvor auf dem Rasen vor den mehr als 70.000 Stadionbesuchern und elf Millionen an den TV-Geräten taten. „Es ist ein bisschen komisch und dumm von uns, dass wir dieses Spiel nicht gewonnen haben“, sagte Mario Gomez. Der 30 Jahre alte Stürmer hatte nach einer gespielten Stunde das zwischenzeitliche 2:0 erzielt.

Danach aber ging nicht mehr viel zusammen im deutschen Team, dass am Ende sogar Glück hatte, nicht ganz überrollt worden zu sein. „Natürlich ist es ärgerlich, wenn man nach einer 2:0-Führung verliert, aber das hat sich schon ein bisschen angedeutet. Unsere ganze Mannschaft war nicht in der Lage, wenn man führt, Ruhe reinzubringen. Unsere Organisation war nicht mehr gut. Ich glaube, das ist vielleicht eine gute Lehrstunde für die Mannschaft gewesen“, sagte Joachim Löw.

Der Bundestrainer hatte unter der Woche erzählt, dass ihn diese junge englische Mannschaft doch sehr an seine Mannschaft von 2010 erinnere, wie sie bei der Weltmeisterschaft erst England (4:1) und dann Argentinien (4:0) aufmischte und überraschend wie verdient WM-Dritte wurde.

Die halbe Mannschaft bestand damals aus jungen Spielern wie Manuel Neuer, Jerome Boateng, Benedikt Höwedes, Sami Khedira oder Mesut Özil, die ein Jahr zuvor mit der U-21-Auswahl Europameister geworden waren. Diese Mannschaft war lauf- und lernwillig, sie spielte einen erfrischenden, dynamischen und mutigen Offensivfußball. Genau daran haben sich inzwischen die Engländer nach langen, trostlosen Jahren orientiert, die bereits ihre zehn Qualifikationsspiele zur EM gewinnen konnten.

„Als Mannschaft aber auch von jeden Einzelnen war das heute ein Tick zu wenig“, sagte Toni Kroos. Der Spielmacher von Real Madrid hatte die deutsche Mannschaft in Führung gebracht und auch den einen oder anderen gefälligen Angriff initiiert. Doch insgesamt versagten ihm seine Nebenleute die Gefolgschaft. Die technisch so hoch veranlagten Mesut Özil und Marco Reus spielten Eintänzer-Fußball ohne Energie und Esprit.

„Heute wurden uns mal wieder die Augen geöffnet, dass es nicht nur 60 Minuten geht oder mit 95 Prozent“, sagte Ersatzkapitän Sami Khedira, der sich selbstkritisch mit einbezog. Und so ging nach vorn nicht viel, von den Aussetzern in der Defensive mal ganz zu schweigen. Emre Can, Antonio Rüdiger und Debütant Jonathan Tah, der den angeschlagenen Mats Hummels mit Beginn der zweiten Halbzeit ersetzte, sind durchaus talentiert, litten aber auch unter der mangelnden Organisation und Kompaktheit der gesamten Mannschaft.

„Mit so einer Niederlage können wir auch mal leben“, sagte Löw noch. Das mag sein, doch der Bundestrainer darf so dicht vor der Europameisterschaft in Frankreich seinen Herrschaften schon mal mit auf dem Weg geben, dass ein laxer Larifari-Fußball nicht nur die eigenen Fans verstimmt. Dass die Mannschaft weit mehr kann, bezweifelt niemand.

Doch genau genommen eiert der Weltmeister seit dem Titelgewinn durch die Stadien. Die EM-Qualifikation war die schwächste seit 32 Jahren und auch die Testspiele seit der Endrunde in Brasilien gingen eher nach hinten los. 2:4 gegen Argentinien, 1:2 gegen die USA, 0:2 in Frankreich, 2:3 gegen England. Und nun kommt Italien. Ein wenig mehr Elan und Ernsthaftigkeit darf der Fan schon erwarten von den Herren Weltmeistern.

„Bei der EM fährst du nach einem solchen Spiel nach Hause“, sagte Mario Gomez, „aber bei der EM wird uns das nicht passieren.“ Die Mannschaft von Joachim Löw hat eigentlich immer schon gute Erfahrungen gemacht mit der direkten Turniervorbereitung, die stets zielführend war und stilbildend. Und so wird es auch dieses Mal sein, wenn es am 23. Mai für elf Tage ins Tessin geht. Aber Schwung und Überzeugung sollte die Mannschaft sich schon am Dienstag gegen Italien holen. Denn es geht auch ein bisschen um die Laune im Land des Weltmeisters.

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