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070909schweinsteiger

© dpa

Deutschland - Wales: Das Vergnügen steht im Zentrum

Beim Sieg der Nationalmannschaft in Wales überzeugten vor allem die neuen Strategen im Mittelfeld.

Bastian Schweinsteiger bemühte sich bis zum Schluss erfolgreich um eine persönliche Note. Als die deutsche Fußball-Nationalmannschaft nach dem 2:0-Sieg ihren Fans im Millennium-Stadion von Cardiff den Dank abstattete, trug der Mittelfeldspieler als Einziger das rote Trikot der Waliser. Seine Kollegen hatten ihre weiße Arbeitskleidung anbehalten, und es sah so aus, als ob die walisischen Spieler sich gar nicht erst getraut hätten, die Berühmtheiten aus Deutschland auf die Möglichkeit des Trikottausches hinzuweisen. Schon während des Spiels hatten sie zu ihren Gegenspielern meistens einen höflichen Abstand eingehalten, mehr oder weniger ungewollt allerdings. „Weil wir den Ball gut haben laufen lassen, sind die gar nicht an uns rangekommen“, sagte Thomas Hitzlsperger.

Nichts illustrierte die Überlegenheit der Deutschen besser als eine abseitige Szene kurz vor Schluss. Jens Lehmann und Robert Earnshaw trugen einen verbalen Disput aus. Der walisische Stürmer suchte den Körperkontakt mit dem deutschen Torhüter, als wollte er ihn mit seiner Präsenz einschüchtern – allerdings endete sein Körper knapp unter Lehmanns Kinn. Richtig süß sah das aus. Earnshaws Attacke war trotzdem einer von insgesamt zwei aufregenden Momenten, die der deutsche Torhüter in 90 Minuten erlebte. Einmal landete er bei einem Befreiungsschlag im Gras, das Publikum lachte. Der Ball flog trotzdem so vertikal in die Waliser Hälfte, dass aus Lehmanns Ausrutscher beinahe das 3:0 resultiert wäre.

Man kann das durchaus für sinnbildlich halten: Die Deutschen trotzen auch größten Schwierigkeiten und holen selbst aus kniffligen Situationen noch das Bestmögliche heraus. „Momentan ist es schwierig, Kritikpunkte zu finden. Es fehlen einige Spieler, trotzdem sind wir in der Lage, eine Mannschaft wie Wales zu beherrschen“, sagte Innenverteidiger Christoph Metzelder. „Das ist locker, das ist routiniert, das ist souverän. Es ist schon erstaunlich, wie wir das hingekriegt haben.“

Erstaunlich ist auch, dass die Mannschaft solche Auftritte immer noch erstaunlich findet. Immerhin spricht deren Häufung inzwischen gegen das Prinzip der Zufälligkeit. Der Sieg gegen Wales knüpfte an den Erfolg im Wembleystadion vor zwei Wochen an, als die Deutschen unter ähnlichen personellen Voraussetzungen sogar gegen einen ungleich stärkeren Widersacher gewannen. Wie gegen England musste Bundestrainer Joachim Löw seine Mannschaft erneut auf entscheidenden Positionen umstellen, und erneut war ein qualitativer Abfall nicht festzustellen. „Es war eine reife Leistung eines recht unerfahrenen Teams“, sagte Löw.

In England hatte der Bundestrainer mit der Maßnahme überrascht, Philipp Lahm das defensive Mittelfeld zu überantworten; gegen Wales bestückte er die Zentrale mit Bastian Schweinsteiger und – zur allgemeinen Verwunderung – Thomas Hitzlsperger. „Beide zentralen Mittelfeldspieler haben eine ganz starke Partie gezeigt“, sagte Löw. Um ihren Auftritt richtig wertzuschätzen, muss man sich in Erinnerung rufen, dass Schweinsteiger und Hitzlsperger nur die Vertreter der Vertreter sind. Michael Ballack und Torsten Frings galten vor einem Jahr noch als unersetzlich.

„Natürlich muss man sagen: Es war nur Wales“, sagte Schweinsteiger. Andererseits hat er in dieser Kombination noch nie mit Hitzlsperger zusammengespielt, und erst am Vormittag wurden beide vom Bundestrainer informiert, dass sie Seite an Seite das deutsche Spiel würden organisieren müssen. Als Risiko betrachtete Löw dies offensichtlich nicht: „Wir wissen, dass die meisten Automatismen funktionieren.“ Trotzdem ist es bemerkenswert, wie weit sich das System inzwischen verselbstständigt hat, wie es unabhängig von den handelnden Personen funktioniert.

Schweinsteiger und Hitzlsperger hatten erheblichen Anteil am deutschen Erfolg. „Basti war nach vorne der entscheidende Faktor für den Sieg“, sagte Christoph Metzelder. Der Münchner verteilte die Bälle, die sein Partner zuvor erobert hatte. Hitzlsperger gewann vor dem frühen 1:0 den entscheidenden Zweikampf im Mittelfeld und leitete den Ball zu Kevin Kuranyi weiter. „Das war ein Beispiel für die Lehrbücher“, sagte Löw. Überhaupt ergänzte sich Hitzlspergers Arbeitsethos wunderbar mit Schweinsteigers Lust am Spiel. Der Münchner hatte am Ende mehr als 110 Ballkontakte, das Vergnügen auf dem Platz war ihm jederzeit anzumerken. „Wir haben es uns selbst leicht gemacht“, sagte Thomas Hitzlsperger. „Das war das Vergnügen.“

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