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Deutschland: Warum wir gewinnen

Die Deutschen sind immer dann am besten, wenn sie etwas beweisen müssen. Und das gilt bei dieser Europameisterschaft nicht nur für Jens Lehmann und Christoph Metzelder.

Wenn in diesen Tagen  und Wochen von der deutschen Fußball-Nationalmannschaft die Rede ist, wird gerne auf die Entwicklung verwiesen, die das Team als Ganzes und jeder einzelne Spieler in den vergangenen Jahren gemacht haben. Der größte Entwicklungssprung ist bei Theo Zwanziger zu verzeichnen, der als Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) ja auch irgendwie zur Nationalmannschaft gehört. Vor vier Jahren, bei der Europameisterschaft in Portugal, gehörte er bereits zur offiziellen Delegation der Deutschen, als Schatzmeister des Verbandes zählte Theo Zwanziger jedoch nur zur nachrangigen Abordnung des DFB. Damals musste er noch im selben Hotel logieren wie die Journalisten. Inzwischen darf auch Theo Zwanziger qua Amt erster Klasse absteigen.

Anfang der Woche hat sich der Präsident einen Überblick über die Annehmlichkeiten verschafft, die den Nationalspielern in ihrem exklusiven Fünf- Sterne-Hotel in Ascona zuteil werden. Man kann wohl sagen, dass Zwanziger sehr angetan war von dem, was er am Ufer des Lago Maggiore zu Gesicht bekam. Der Nationalmannschaft wurden wirtschaftliche Rahmenbedingungen geschaffen, „wie es sie sonst nirgends gibt“, bestätigte der DFB-Präsident, schließlich könne man die Spieler nicht wie Schüler in einer Jugendherberge einquartieren.

1,6 Millionen Euro soll den deutschen Verband allein die Unterkunft im vornehmen Tessin kosten, das gesamte Projekt Europameisterschaft beläuft sich dem Vernehmen nach auf etwa 20 Millionen Euro. So viel hat der Deutschen Fußball-Bund noch nie in seiner Geschichte ausgegeben, insofern ist es nicht verwunderlich, wenn Präsident Theo Zwanziger nun sagt: „Jetzt geht es um einen Spitzenerfolg.“ Es geht um nichts anderes als um den Titel.

In den nächsten drei Wochen steht die deutsche Nationalmannschaft also unter ganz besonderer Beweislast. Sie muss zeigen, dass sie das viele Geld wert ist und dass sich die Investitionen wirklich auszahlen. Und weil die Deutschen unter Druck besonders gut sind, werden sie am Ende in Wien zum vierten Mal Europameister.

„Was uns positiv stimmt, ist unsere Form, das Niveau der Mannschaft“, sagt Kapitän Michael Ballack. Auf den Reifeprozess seit der Weltmeisterschaft vor zwei Jahren ist oft genug verwiesen worden. Damals lebte die Mannschaft noch von ihrer Euphorie, von ihrem Glauben, jetzt ist vieles selbstverständlicher. Die Deutschen haben ihren Stil gefunden, die Mannschaft ist eingespielt – doch das allein wird nicht reichen. Sagt Ballack. „Wir dürfen nicht zu ruhig sein. Wichtig ist, dass wir uns vor so einem Turnier wieder hochziehen.“ Die Mannschaft braucht ein bisschen Aufregung als Anregung. Unter diesem Aspekt geraten einige Personalien in ein ganz anderes Licht. Man könnte fast meinen, dass die Deutschen ihr Abwehrproblem aus dem WM-Jahr 2006 wegen des großartigen Erfolges noch einmal vorsätzlich neu aufgelegt haben. Noch kurz vor dem Turnier traute niemand der Mannschaft zu, eine halbwegs sichere Verteidigung hinzubekommen; so ähnlich ist das auch jetzt wieder. Und so, wie der Trotz die Abwehrspieler während der Weltmeisterschaft in Deutschland befeuert hat, ist es auch diesmal.

Man spürt bei Christoph Metzelder regelrecht, dass er die öffentlichen Vorbehalte widerlegen will. „Die Tendenz stimmt“, hat er nach dem letzten Testspiel am vergangenen Wochenende gegen Serbien gesagt, nachdem er erneut einen Gegentreffer verschuldet hatte. Christoph Metzelder weiß selbst am besten, dass die Zeit knapp wird, um rechtzeitig in Form zu kommen. Genauso aber weiß er, dass die Mannschaft ihn nicht hängen lassen wird.

Die Deutschen sind also immer dann am besten, wenn sie etwas beweisen müssen – weniger sich selbst, als dem Rest der Welt. Und weil die Mannschaft so viele Beweise erbringen muss wie keine zweite, ist sie fast zwangsläufig der große Favorit auf den EM-Titel. Jens Lehmann muss noch beweisen, dass seine kühnen Rechnungen aufgehen und wenig hochwertige Spielpraxis in der Premier League qualitativ tatsächlich höher einzuschätzen ist als viel minderwertigere Spielpraxis in der Bundesliga. Michael Ballack muss noch beweisen, dass sein erster internationaler Titel ihn emotional mindestens genauso berührt wie der sonst übliche zweite Platz. Miroslav Klose wird beweisen, dass er nicht nur WM kann, sondern auch EM und sogar gegen große Gegner trifft, Mario Gomez, dass er jede Million wert ist, die gerade als Ablösesumme für ihn gehandelt wird. Bastian Schweinsteiger und Lukas Podolski werden endlich zeigen, dass sie nicht auf die Rolle der ewigen Talente festgelegt sind. Und die ganze Mannschaft wird beweisen, dass sie auch noch bei Europameisterschaften gewinnen kann – wie zuletzt im Jahr 1996, als Helmut Kohl noch dieses unser Land regierte. Kapitän Michael Ballack sagt, dass es bei einem Turnier der Besten „auf dieses eine Prozent mehr“ ankomme, darauf, „den zusätzlichen Weg zu gehen, auch wenn es wehtut“. Wenn jemand die Schmerzen ertragen kann, dann sind es die Deutschen.

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