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Sport: Deutschland wird Bayern

Der Bundestrainer bewegt sich derzeit auf dünnem diplomatischen Eis. In einer Woche bestreiten Borussia Dortmund und Bayern München das inoffizielle Finale um die deutsche Meisterschaft, und der BVB hat Joachim Löw vor den beiden Länderspielen in Italien und England schon den freundlichen Hinweis gegeben, er möge die Belastungen für die Nationalspieler aus beiden Lagern doch bitte möglichst gleichmäßig verteilen.

Der Bundestrainer bewegt sich derzeit auf dünnem diplomatischen Eis. In einer Woche bestreiten Borussia Dortmund und Bayern München das inoffizielle Finale um die deutsche Meisterschaft, und der BVB hat Joachim Löw vor den beiden Länderspielen in Italien und England schon den freundlichen Hinweis gegeben, er möge die Belastungen für die Nationalspieler aus beiden Lagern doch bitte möglichst gleichmäßig verteilen. Vermutlich hat Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke am Freitag mit Stoppuhr und Taschenrechner vor dem Fernseher gesessen, um die Einsatzzeiten genau zu dokumentieren.

Was die Dortmunder in Mailand zu sehen bekamen, dürfte ihnen nur bedingt gefallen haben. Löw leistete sich einen schlimmen Affront gegen den BVB. Nicht nur, weil er sechs Münchner in die Startelf beordert hatte (und nur einen Dortmunder); die Nationalmannschaft versuchte sich auch noch als originalgetreue Kopie der Bayern. „Das war das System, das wir in München spielen“, sagte Toni Kroos. Widerspruch musste er für diese Deutung nicht fürchten.

Das Testspiel der Nationalmannschaft sah bisweilen so aus, als hätte sich Löw die Hand von seinem Münchner Kollegen Pep Guardiola führen lassen. Philipp Lahm spielte als Sechser, wie es Guardiola derzeit am liebsten ist, die Position im Sturm wurde nach spanischem Vorbild von einem gelernten Mittelfeldspieler besetzt, und den Ball ließ Bayern II gegen die Italiener zeitweise in der Endlosschleife durch die eigenen Reihen laufen.

Grundsätzlich ist natürlich nichts dagegen einzuwenden, wenn die Nationalmannschaft sich von der besten Mannschaft Europas inspirieren lässt, zumal angesichts der personellen Überschneidungen. Bisher aber hat Joachim Löw immer größten Wert auf seine Autonomie als Bundestrainer gelegt und das Recht auf einen eigenen Stil verteidigt – übrigens auch gegen die Dortmunder. Der Breitbandfußball der Bayern ist jedenfalls genauso wenig sein Ding wie das brachiale Gegenpressing der Dortmunder.

Löw liebt den gepflegten Aufbau und das dynamische Spiel in die Spitze. Man könnte auch sagen: Der Bundestrainer will bayrische Eleganz gepaart mit Dortmunder Wucht. Wenn es ihm gelingt, beides in ein gesundes Verhältnis zu bringen, würde das vermutlich nicht nur Hans-Joachim Watzke freuen. Es wäre auch für die Nationalmannschaft ganz sicher kein Schaden.

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