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Danke, Frau Kapitän. Die deutschen Fußballerinnen feiern ihre Torhüterin Nadine Angerer (l.), die den fünften Strafstoß der Französin Claire Lavogez parierte und Deutschland damit unter die letzten vier Teams der WM brachte.

© dpa

Deutschlands Fußballerinnen im WM-Halbfinale: Elf Meter und ein Epos

Der Sieg im WM-Viertelfinale gegen Frankreich nimmt schon jetzt einen besonderen Platz ein. Bundestrainerin Silvia Neid sprach vom „auf jeden Fall intensivsten Spiel“, das sie je erlebt habe.

Montreal - Ins kollektive deutsche Gedächtnis sind bisher kaum epische Frauenfußballmomente eingebrannt. Dazu gehört Nia Künzers geköpftes „Golden Goal“ zum ersten deutschen WM-Titel 2003 in den USA. Und dazu gehört nun auch dieser 6:5 (1:1, 1:1, 0:0)-Nägelknabberkrimi nach Elfmeterschießen gegen Frankreich am Freitagabend. Der letzte gehaltene Elfer der Schon-wieder-Heldin Nadine Angerer in diesem WM-Viertelfinale in Kanada, die auf den Knien rutschende Celia Sasic mit den Armen als Jubelsägen und die herzzerreißend weinende erst 21 Jahre alte Fehlschützin Claire Lavogez. All das wird bleiben. Die Bundestrainerin Silvia Neid sprach vom „auf jeden Fall intensivsten Spiel“, das sie je erlebt habe. In 33 Jahren als Spielerin und Trainerin.

In die Fernsehkameras hatte die 51-Jährige noch „Ich bin fertig“ gesagt. Mit zittriger Stimme. Später in der Pressekonferenz im Bauch des viel zu großen Olympiastadions von Montréal hatte sie dann ihren roten Lippenstift nachgezogen und ihre Fassung zurück. Nein, eigentlich fand sie den Auftritt spielerisch nicht überzeugend, vor allem nicht in Hälfte eins, als die Deutschen von den technisch brillanten Französinnen überrannt wurden. „Unter dem Strich kann man sagen, dass es etwas glücklich war.“ Aber Neid lobte das Aufbäumen – diesen Willensakt – nach dem 0:1-Rückstand durch Louisa Necib (64.), den die DFB-Auswahl mit einem verwandelten Handelfmeter von Celia Sasic (84.) ausglich: „Meine Mannschaft ist richtig charakterstark, man musste ja so einen Hebel in der zweiten Halbzeit umlegen“, sagte sie. „Und im Elfmeterschießen hatten wir dann ja unsere Nadine Angerer.“

Angerer als "Spielerin des Spiels" ausgezeichnet

Die 36 Jahre alte Kapitänin wurde als „Spielerin des Spiels“ ausgezeichnet. Die Weltfußballerin 2013, die schon im EM-Endspiel vor zwei Jahren gegen Norwegen (1:0) zwei Strafstöße gehalten hatte, erklärte, dass sie sich sehr auf ihre Intuition verlasse, aber auch einen guten Coach habe: „Michael Fuchs ist wirklich ein Torwarttrainer-Fuchs.“ Ansonsten war auch ihr Tenor: Auf dem Teppich bleiben, man sei ja nun erst im Halbfinale, wo es gegen die USA (1 Uhr MEZ in der Nacht zum Mittwoch/ARD) nicht leichter werde. „Wir haben das eine oder andere Lied gesungen. Wir haben uns gefreut, dass wir die nächste Zwischenetappe erreicht haben“, berichtete sie aus der Kabine, „es war aber nicht überschwänglich, wir sind nicht wahllos rumgetanzt.“

Angerer schnitt vor den Reportern ein paar lustige Grimassen, es war mal wieder ihre Bühne. Aber im Unterschied zur EM in Schweden gab es diesmal noch andere Heldinnen. Vor ihr verteidigte Annike Krahn wie eine Berserkerin, die coole Sasic hat nunmehr drei Elfer im Turnier verwandelt, was nicht nur Sturmpartnerin Anja Mittag „bewundernswert“ fand. Dauerläuferin Simone Laudehr war überall und die erst 22 Jahre alte Rechtsverteidigerin Leonie Maier kämpfte um jeden Ball. „Ich bin über mein persönliches Limit gegangen“, sagte die Stuttgarterin aufgekratzt.

"Wo ist eigentlich Maro?"

Und dann war da noch die stille Heldin Dzsenifer Marozsan. Das zur zweiten Hälfte eingewechselte oft zu phlegmatische Mittelfeldgenie lag nach 120 Minuten mit erneut umgeknicktem linken Fuß auf dem Boden. Es ging nichts mehr. Als Neid dann ihre Elfmeterschützinnen zusammensuchte, meldeten sich vier (Melanie Behringer, Simone Laudehr, Babett Peter, Celia Sasic). Die anderen hätten „auf den Boden geguckt“, verriet Neid. „Und dann dachte ich mir, wo ist eigentlich Maro? Ach, die liegt dahinten, ach, Lena (Goeßling), lauf doch mal schnell hin und frag sie, ob sie schießen will.“ Maro wollte und verwandelte souverän, wegen einer Bänderdehnung droht Marozsan aber für das Halbfinale auszufallen.

Die ausländischen Journalisten wunderten sich, wieso diese „Germans“ – ob Männer oder Frauen – noch nie ein WM-Elfmeterschießen verloren haben. „Vielleicht ist es das Mentale“, vermutete Anja Mittag lächelnd. Sie sieht die Deutschen gegen die USA, die China mit 1:0 besiegten, „ein bisschen als Favorit“. Es könnte wieder ein episches Spiel werden.

Inga Radel

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