zum Hauptinhalt
Nahkampf statt Fernduell. Für Thomas Kraft (l.) und Manuel Neuer geht es heute um den Einzug ins DFB-Pokalfinale.

© dpa

DFB-Pokal: Der Neue und der Neuer

Das Pokalhalbfinale gegen Schalke befeuert die Torwart-Debatte beim FC Bayern. Louis van Gaal setzt auf Thomas Kraft, Manuel Neuer bleibt trotzdem der Wunschkandidat der Vereinsführung.

Er habe nichts geahnt, damals vor knapp zwei Monaten im Trainingslager, erzählt Thomas Kraft. Schon am zweiten Tag des Aufenthalts in Katar hatte Torwarttrainer Frans Hoek dem jungen Spieler bedeutet, sich am Nachmittag zu einem Personalgespräch beim Chefcoach einzufinden. „Ich dachte, er möchte mir sagen, was er von mir hält und was ich anders machen soll“, erinnert sich Kraft. „Aber das Erste, was der Trainer zu mir gesagt hat, war: Herzlichen Glückwunsch, ich gratuliere Ihnen zur Nummer eins. Da war ich baff.“

Louis van Gaal kann sich einiges darauf einbilden, Kraft aus der Fassung gebracht zu haben – das ist bisher den wenigsten gelungen. Dem 22 Jahre alten Torwart, der schon längst verheiratet ist, schreibt man viele Talente zu, das vielleicht ausgeprägteste ist seine Gemütsruhe. Das sagt man zwar von vielen Torhütern. Doch bei ihm muss diese Eigenschaft besonders ausgeprägt sein, so oft, wie alle, die mit ihm zu tun haben, darauf hinweisen. Mitspieler Mario Gomez bringt es auf die Formel: „Er ist sehr klar in der Birne.“

Deshalb, davon ist fest auszugehen, belastet ihn das aktuelle Bayernthema Nummer eins auch eher nicht: Es geht um das Fernduell mit Nationaltorhüter Manuel Neuer, 24, das normalerweise über eine Distanz von 500 Kilometern ausgetragen wird. Am heutigen Mittwoch (20.30 Uhr, live im ZDF) schnurrt die Distanz auf etwa 105 Meter zusammen, so lang ist der Rasen in der Münchner Arena. Dann trifft Krafts FC Bayern im Pokal-Halbfinale auf Neuers Schalke 04. Und wenn es nach Louis van Gaal geht, sollten Kraft und Neuer sich in der kommenden Saison sogar täglich von Angesicht zu Angesicht sehen.

„Ich denke, dass Neuer sehr gut passen kann, weil wir zwei Spitzentorhüter brauchen“, sagte van Gaal am vergangenen Freitag zu aller Überraschung. Denn die Winterrochade von Butt zu Kraft hatte bis dato als Bekenntnis des Trainers gegen die Verpflichtung Neuers gegolten, die die Chefs des FC Bayern am liebsten schon gestern eingetütet hätten. Schließlich ist van Gaal auch darauf sehr stolz, dass er in der Saison 1992/1993 einem gewissen Edwin van der Sar, damals 22 Jahre alt, das Tor von Ajax Amsterdam anvertraute und dass er beim FC Barcelona als Erster den damals 20-jährigen Victor Valdes (zumindest für sechs Spiele) ins Tor stellte, das dieser heute noch hütet. Der Torwarttrainer hieß auch in diesen Fällen Frans Hoek. Nun wünscht sich van Gaal also einen Konkurrenzkampf zwischen dem nach einhelliger Meinung – zumindest in Deutschland – besten Torhüter der Welt und dem wohl meistversprechenden Talent, das den ersten Eindrücken nach schon zur nationalen Spitze gehört.

Doch dieses Luxuskonstrukt wird Wunschdenken bleiben. Kraft, auf den schon Jürgen Klinsmann lieber setzen wollte als auf Michael Rensing (was die Bayernoberen dann verboten), ist in der komfortablen Situation, dass im Sommer sein Vertrag ausläuft. Angeblich hat er bereits ein Angebot zur Verlängerung bis 2013 vorliegen. Doch er wird den Teufel tun und voreilig unterschreiben. „Wenn Neuer kommt, dann gehe ich“, hat er bereits Ende vergangenen Jahres verkündet. Er will nicht mehr auf der Bank sitzen. Warum sollte er auch? Krafts Reflexe sind herausragend, den Strafraum hat er bisher im Griff behalten und kicken kann er sowieso wie kaum ein anderer Torhüter. Wenn er in Trainingsspielen auf dem Feld antrete, falle er kaum ab, sagt man. Kraft selbst sagt auf die Fragen nach seiner Zukunft inzwischen: „Damit beschäftige ich mich gar nicht.“ Das werde sich im Frühjahr oder im Sommer klären.

Für die Bayernverantwortlichen ist es eine heikle Situation. Sie können sich mächtig ins Zeug legen, Neuer in diesem Sommer zu holen. Doch das würde aufwendig. Schalkes Allmächtiger Felix Magath erklärte erst zu Wochenbeginn: „Es bleibt dabei: Manuel ist unverkäuflich.“ Neuer selbst hält sich bedeckt. Etwa 20 Millionen Euro Ablöse wären wohl fällig, um Magath doch ins Schwanken zu bringen – trotz des nur noch ein Jahr laufenden Vertrags. Zugleich würden die Bayern damit einen Mann in die Hände der Konkurrenz treiben, den sie selbst ausgebildet haben und der das Potenzial hat, bald in Neuer’sche Leistungsregionen vorzudringen. Eine Lösung könnte es sein, noch ein Jahr auf Kraft zu setzen und dann zu schauen, ob es lohnt, sich um den ablösefreien Neuer zu bemühen. Aber wer weiß, ob Magath Neuer vielleicht im Sommer nach England verkaufen würde. Am Mittwoch bestätigte Schalke, Manchester United sei daran interessiert, Neuer als Nachfolger von van der Sar zu verpflichten.

Und man darf bei den Bayern auch nie die Prinzipien vergessen, wie sie Torwartmonument Oliver Kahn formuliert: „Wenn man sagt: Der FC Bayern braucht den Nationaltorhüter, dann sollte man Neuer holen.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false