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Im Freudentaumel: Der Sieg bei Rot-Weiss Essen lässt Fans und Mannschaft wieder hoffen.

© dapd

DFB-Pokal: Hertha hat ein Trauma überwunden

Das 3:0 in der zweiten Runde bei Rot-Weiss Essen zeigt, dass Hertha BSC auch Pokal kann.

Peter Niemeyer stand vor seiner Zeit in Berlin bei Werder Bremen unter Vertrag, einer der notorischsten Pokalmannschaften der Republik. Der Unterschied zu seinem aktuellen Arbeitgeber hätte ihm also eigentlich längst auffallen müssen, aber nach dem Einzug von Hertha BSC ins Achtelfinale des DFB-Pokals gab Niemeyer zu Protokoll, dass ihm „diese Brisanz persönlich gar nicht so bewusst“ war. Erst als er unmittelbar vor dem Zweitrundenspiel bei Rot-Weiss Essen mit dem Teambetreuer Nello di Martino im Aufzug unterwegs war, sei ihm das richtig klar geworden. Niemeyer wunderte sich, dass der stets gelassene di Martino ein bisschen nervöser war als sonst, und auch „im Umfeld hatten einige Leute richtig Angst vor der zweiten Runde“.

Hertha BSC und die zweite Runde im DFB-Pokal, „diese unsägliche zweite Runde“, wie Manager Michael Preetz sagte, das ist in der Tat eine lange Leidensgeschichte. Oder besser: war eine lange Leidensgeschichte. Nach vier vergeblichen Versuchen hat sich der der Berliner Fußball-Bundesligist am Mittwoch erfolgreich an seinem Trauma abgearbeitet. 3:0 hieß es am Ende gegen den Regionalliga-Aufsteiger aus Essen. „Es war eine professionelle Leistung von uns“, sagte Niemeyer. „Aber in solchen Spielen ist es meistens so, dass sich Qualität am Ende durchsetzt.“

Stimmt. Nur bei Hertha war es eben meistens anders. Wuppertal, Braunschweig, Koblenz, St. Pauli, Kiel, Tennis Borussia – die Liste der Verfehlungen ist lang, das frühe Scheitern im Pokal längst Legende. Seit mehr als einem Vierteljahrhundert sind die Berliner Profis nicht mehr über das Viertelfinale hinausgekommen. Angesichts dieser Vorgeschichte hat Hertha an der Essener Hafenstraße trotz der feurigen Atmosphäre auf den steilen Rängen eine erstaunlich unerschrockene Darbietung abgeliefert. „Alles in allem war es ein guter Auftritt“, sagte Trainer Markus Babbel. In solchen ungleichen Duellen müsse am Ende ein Unterschied zu erkennen sein. „Das haben wir geschafft.“

Babbel hatte seinen Spielern aufgetragen, geduldig zu sein, den Erfolg nicht mit aller Macht erzwingen zu wollen. Dieser Vorgabe folgten sie. Hertha spielte nicht glänzend, aber die Mannschaft tat, was zu tun war. Erlaubte dem Gegner kaum Chancen, spielte ihn müde – und schlug am Ende gnadenlos zu. Die ersten beiden Tore durch Adrian Ramos und Pierre-Michel Lasogga fielen in kurzer Folge nach Standardsituationen, das dritte erzielte der eingewechselte Nikita Rukavytsya unmittelbar vor Schluss nach einem Konter. „Wir sind als Mannschaft ein bisschen gereift, was solche Spiele angeht“, sagte Niemeyer.

Die Frage ist, ob der Sieg in Essen ein einmaliger Ausrutscher nach oben war. Oder doch schon der Beginn einer wunderbaren Beziehung. Markus Babbel verschwieg nicht, dass RWE alles in allem „ein günstiges Los“ war. Und nachdem es Hertha schon in der ersten Runde mit einem Regionalligisten (Meuselwitz, 4:0) zu tun gehabt hatte, wünscht sich Babbel jetzt Holstein Kiel als nächsten Gegner: „Dann haben wir alle durch.“ Es kann natürlich auch ganz anders kommen. Doch unabhängig von all den Unwägbarkeiten des Wettbewerbs hat Herthas Trainer im Sommer den Pokalsieg als Saisonziel ausgegeben. Auf den ersten Blick mag das ein bisschen größenwahnsinnig gewirkt haben. Psychologisch gesehen aber war Babbels Zielvorgabe nicht ungeschickt. Ihr müsst keine Angst vor dem Pokal haben, hat er seinen Spielern auf diese Weise signalisiert.

Ähnlich verhielt es sich mit der Aufstellung, die Babbel in Essen gewählt hatte. Dass er vier Tage nach dem Bundesligaspiel gegen Mainz gleich sieben neue Leute auf den Platz schickte, zeugte von einer gewissen Unerschrockenheit. Gegen den eifrigen, spielerisch aber mäßigen Regionalligisten, so lautete die Botschaft an die eigene Belegschaft, muss auch unsere 1b-Besetzung reichen. Babbel machte die Essener damit nicht größer, als sie sind. Wäre das Ganze allerdings schief gegangen, hätte Herthas Trainer sich dem Vorwurf der Arroganz ausgesetzt. Ging es aber nicht, obwohl es am Ende vor allem der eingewechselte Adrian Ramos war, der etwas mehr Entschlossenheit in den Vortrag des Erstligisten brachte. „Der Trainer hat alles richtig gemacht“, sagte Peter Niemeyer. „Das ist das Schöne, wenn man gewonnen hat.“

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