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Da geht es lang. Oder besser: Soll es langgehen. Trainer Dieter Hecking hat in Wolfsburg zurzeit keinen einfachen Job.

© picture alliance / dpa

DFB-Pokal: Trostloses Miteinander in Wolfsburg

Der Kader ist zu groß, es fehlt an Homogenität und Führungsspielern. Nur ein Sieg im Pokal-Halbfinale beim neuen deutschen Meister FC Bayern könnte Dieter Hecking und dem VfL die Saison retten.

Von Christian Otto

Die tiefen Falten, die sich regelmäßig auf seiner Stirn stauen, zeichnen ein düsteres Bild. Dieter Hecking sieht im Auftrag des VfL Wolfsburg, bei dem er seinen nächsten Karriereschritt als Trainer schaffen möchte, häufig sehr ernst und eher griesgrämig aus. „Also ich fahre gerne nach München. Sie können ja hier bleiben“, lautete sein bissiger Kommentar zur Einschätzung eines Journalisten, der das heutige Halbfinale im DFB-Pokal beim FC Bayern München (20.30 Uhr/ARD live) als unlösbare Aufgabe einstufte. Immer häufiger muss Hecking erklären, warum die Wolfsburger Mannschaft den hohen Erwartungen nicht gerecht wird und weiter auf der Stelle tritt. „Es ist eine hochspannende Aufgabe mit dem VfL“, versichert Hecking, wenn er das bisher Erreichte resümiert.

Es gibt diese Momente, in denen dieser auf den ersten Blick schroffe Trainer lächelt, auftaut und plaudert. Fünf Kinder hat Familie Hecking großgezogen. Vor kurzem sollte der stolze Papa unbedingt beim Kreisklassenspiel seines Sohnes vorbeischauen. Wenn Hecking Anekdoten wie diese preisgibt, sehen seine Gesichtsfalten deutlich harmloser aus. Aber nach fast vier Monaten beim VfL Wolfsburg halten sich lustige und weniger lustige Tage die Waage. Sechs Remis, drei Siege und drei Pleiten in der Bundesliga-Rückrunde sind keine Bilanz, die Trainer und Verein voranbringen. Inkonstanz – diese Vokabel, die die Launen seiner Mannschaft beschreibt, benutzt Hecking verdächtig häufig. Das Pokalduell mit dem Meister aus München bietet die Chance, mit einem einzigen Sieg eine völlig misslungene Saison zu schönen. „Wir müssen uns nicht klein machen“, sagt der 48-Jährige, der den Pokalsieg mutig zum großen Ziel erklärt hatte – bevor der FC Bayern aus der Lostrommel genommen und dem VfL zugeordnet worden war.

Viele im Team wissen, dass sie ab Sommer getrennte Wege gehen werden

Zwei Tage vor Weihnachten, als Hecking sich mitten in der Saison vom 1. FC Nürnberg losgesagt hatte, sah alles noch so verlockend aus. Nach dem strengen, erfolglosen Regiment von Felix Magath und der Übergangslösung Lorenz-Günther Köstner gab es in Wolfsburg so viel besser zu machen. Mit Klaus Allofs stand ein neuer Geschäftsführer frisch in der Verantwortung. Weder er noch Hecking werden bei ihrem Wechsel geahnt haben, wie zerfahren die Situation beim sportiven Tochterunternehmen des Volkswagen-Konzerns ist. „Wir machen Fehler, die nicht passieren dürfen. Das geht die ganze Saison schon so“, gesteht Innenverteidiger Naldo. Der Brasilianer gehört zu den vielen Profis beim VfL, die internationale Klasse besitzen. Aber Allofs und Hecking treiben einen zu großen Kader an, dem es an Homogenität und Führungsspielern fehlt. Drei Trainer innerhalb einer Saison und zahllose personelle Umwälzungen waren Gift für die Moral, den Teamgeist und auf der Zielgeraden der Saison auch für die Einsatzbereitschaft.

Der Tonfall gewinnt ständig an Schärfe. Ein erheblicher Teil des aktuellen Teams weiß, dass das trostlose Miteinander in diesem Sommer vorzeitig enden wird. Hecking steht als Trainer auf Typen, die ehrlich arbeiten, viel rackern und Vorgaben umsetzen. Ivica Olic, der langjährige Stürmer des FC Bayern, ist ein solcher Gehorcher und Malocher. Auch aufstrebende Profis wie Slobodan Medojevic und Maximilian Arnold rennen gerne für mehr Ruhm und ihren Trainer. Aber so mancher im internationalen Ensemble des VfL spielt selbst dann nicht beherzter, wenn Hecking zu harten Ansprachen gegriffen hat. „Es fallen klare Worte“, sagt Allofs, wenn er beschreiben soll, wie hart Hecking durchgreift.

Die Handschrift des neuen Trainers, der mit Experimenten erst begonnen hat, als beim VfL die größte Abstiegsgefahr gebannt war, ist erst ganz zart zu erkennen. Seine Mannschaft hat zu mehr Stabilität gefunden, ohne an Glanz zu gewinnen. Das Wolfsburger Spielsystem, in dem es meistens nur einen echten Stürmer gibt, bleibt simpel und lebt weiter von Diegos Geniestreichen. Es gibt böse Zungen im Kreis der gefrusteten VfL-Fans, die behaupten, dass man für diesen Ist-Zustand Hecking nicht als Nachfolger für Köstner hätte verpflichten müssen. Der neue Trainer spricht von einem langwierigen Prozess, der für eine Bodenbildung in Wolfsburg sorgen soll und hofft auf genug Zeit sowie Rückendeckung. Sein genervter Chef, den er Klaus nennt und zu dem die Spieler Herr Allofs sagen, bemängelt die Lerngeschwindigkeit der Mannschaft. Nicht lernfähig genug und zu langsam noch dazu – der Vorwurf des VfL-Chefs trifft Spieler und Trainer gleichermaßen.

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