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DFB-Pressekonferenz: Im Live-Ticker: Eine Brücke für Ballack

Wäre James Cameron so langsam gewesen, hätte die Titanic gar nicht abgelegt. Doch heute erklärte sich Joachim Löw endlich zur Kapitänsfrage. Der Tagesspiegel-Liveticker war dabei.

13:05 Uhr

Die letzte Frage wird zurückgezogen. Stenger schließt die Pressekonferenz, überbringt vorher noch Nachrichten aus Brüssel und Glückwünsche an einen Kollegen. Löw grüßt Ballacks Mutter. Man könnte sich jetzt die Hände reichen, fühlt sich aber irgendwie auf den Arm genommen. Raus aus Frankfurt. Geändert hat sich nicht viel. Das Boney M Best-Of kostet immer noch nur 29,95.

13:00 Uhr

Der Blick schweift über den Main bis nach Madrid. Özil und Khedira haben Probleme bei Real. Jose Mourinho bemängelt fehlendes Integrationsvermögen der beiden Spieler. Sie würden ihr eigenes Spiel spielen. Löw ist überrascht, weiß von nichts. Deutschland schafft sich ab. Löw spricht, sagt aber nichts mehr. Am Ende ist doch alles gut. Das sagt der Pullover. Er ist immer noch rot. Am Ende kann der Außerirdische nach Hause. Am Ende ist auch eine Kapitänsbinde eine Degradierung. Löw feiert einen Kompromiss als Happy End.

12:55 Uhr

In Frankfurt ist die Stimmung nun gelöst. Kapitänsfrage beantwortet, lachende Belgier. Auch Stenger schmilzt. Und die Fragen drehen sich schneller. Bleibt Manuel Neuer Torwart? Löw nickt und schüttelt doch den Kopf. Das kann er wie kaum ein anderer. Nickend den Kopf schütteln. Mit einem klaren Ja alles offen lassen.

12:52 Uhr

Die deutschen Journalisten verlassen die Konferenz. Sie wissen jetzt alles. Und was man noch nicht weiß, kann man im Videotext nachschauen. Zurück bleiben zwei Belgier, die nicht verstehen, warum niemand über Belgien spricht. Nicht einmal aus historischer Schuld. "Nehmen Sie Belgien nicht ernst, Monsieur Löw." Löw bemüht sich um Völkerverständigung. Ist eben auch Außenminister, wenn er eigentlich Bundestrainer ist, nicht wie andere, die immer noch Kanzlerin sein wollen, wenn sie eigentlich Außenminister sind. "Wir müssen über uns hinaus wachsen, um die Belgier zu schlagen." Deutscher Honig auf flämisch-wallonische Lippen.

12:50 Uhr

Aber immerhin ist es jetzt raus. So wie die Luft in Frankfurt. Der Kapitän ist wieder Kapitän. Gesichter machen einen Haken dahinter. Joachim Löw sorgt für Tagesordnung. Freitag beginnt das nächste Turnier. Westermann könnte als Innenverteidiger auflaufen. Aber auch für Westermann gilt: Er ist nur Innenverteidiger, wenn er spielt. Anders als Christoph Metzelder, der nicht einmal Innenverteidiger ist, wenn er spielt. Deshalb spricht hier niemand über Metzelder. Über Kuranyi auch nicht. Dieses Transferfenster ist geschlossen.

12:45 Uhr

Michael Ballack bleibt Kapitän. Sechs Wochen brauchte dieser Satz bis an die Oberfläche. Es gibt eben Sätze, die man nicht in einem Satz erzählen kann. Und auch Löw weiß: Früher begann der Tag mit einer Schusswunde.

12:40 Uhr

Die Journalisten, die jetzt wissen, was sie gestern schon wussten, stellen Fragen, die sie gerne schon vorgestern gestellt hätten. Wieso hat das so lange gedauert, Herr Löw? Der Herr Löw, der immer noch aussieht wie Elliott auf seinem fliegenden Bonanza-Rad, mit dieser Frisur eines alternden Schlagerstars, der am Wochenende durch die Möbelhäuser der Provinz tourt, antwortet, wie der Herr Löw immer antwortet: Ruhig aber bestimmt. Er habe diese Zeit gebraucht, auch mit der Mannschaft sprechen müssen. Gedanken mussten fliegen, Tage vergehen. Löw ist Ästhet, der bricht niemanden übers Knie. Aber hätte Hergé so lange bei der Kapitänsfrage gezögert, hätte am Ende der alte Bienlein einen blauen Seemannspullover getragen und Haddock wäre Professor geworden. Wahnsinnige Höllenhunde, verdammte.

12:37 Uhr

Der Bundestrainer ist eben auch Bundestrainer, wenn er keine klaren Entscheidungen trifft.

12:35 Uhr

Aserbaidschan ist kein leichter Gegner. Berti Vogts war nie ein kleiner Trainer. Die Belgier sind hoch motiviert gegen Deutschland. Allein historisch. Löw spricht, nickt, will eigentlich nach Hause telefonieren. Dann: Kurze Pause. K-Frage. Stille im Raum. Löw wählt seine Worte sorgfältig. Dann tropfen sie aus seinem Mund: "Michael Ballack bleibt mein Kapitän!" Journalisten notieren, was Journalisten gestern schon wussten. Dann wieder kurze Pause. Und Löw schlägt einen dieser badischen Haken, die nur er so schlagen kann. Aber. Sein Lieblingswort. Es ist stärker als die anderen. Ein Aber, das selbst Kapitän sein könnte. Aber: Lahm und Schweinsteiger werden weiter die Verantwortung tragen, die Rollen spielen, in die sie während der WM herein gewachsen sind.

12:30 Uhr

Der DFB lässt warten. das kennt man ja schon. Das fühlt sich nach WM an. Und im Hintergrund bläst das NDR-Walross auf einer Vuvuzela. nichts hat sich verändert. Und Winter ist jetzt auch in Frankfurt. Dann aber kommt Method-Actor Harald Stenger (Lars, der Eisberg) auf die Bühne. Eröffnet die Pressekonferenz in Glücksrad-Manier: "Es geht hier heute nicht um die K-Frage, sondern auch um die A- und die B-Frage." Löw (A- und B-Hörnchen), der sich von der anderen Seite ins Bild geschlichen hat und den Kapuzenpullover aus E.T. trägt, nickt. Die Laienspielgruppe Frankfurt a.M. präsentiert sich in bestechender Frühform.

12:25 Uhr

Also doch eine kleine Meuterei. Allerdings ohne Bounty. Denn Harald Stenger darf keine Schokolade mehr. Auch das war eine Bedingung für seine Vertragsverlängerung beim DFB.

12:20 Uhr

Noch passiert nicht viel. Burger King sucht einen neuen Besitzer. Ronald McDonald ist jetzt Vegetarier. Das Boney M Best-Of kostet nur 29,95. UVP. Bei ntv trägt ein Nadelstreifenanzug einen Moderator, der aussieht wie ein Aufsteller von Mattel. Darunter rasen die Spruchbänder. "Ballack ist Kapitän, wenn er spielt." Danke. Obwohl man erst auf den zweiten Blick merkt, was diese Nachricht wirklich bedeutet. Wenn Ballack nur noch Kapitän ist, wenn er spielt, gibt Löw ihm zwar die Binde zurück, entzieht ihm aber jene Autorität, die über das Spiel hinaus geht. Bis in die Kabine, die auch von der Ersatzbank strahlt, aus dem Reha-Zentrum. In der Vergangenheit hieß es: Der Kapitän fehlt verletzt. Jetzt fehlt er nicht mehr, weil er kein Kapitän ist, wenn er fehlt. Der Kapitän ist in diesem Fall nur noch ein Amt für Ballack, kein Titel, den er trägt. Klaus Wowereit ist auch Bürgermeister, wenn er schläft, Uwe Timm Autor, wenn er gerade nicht schreibt. Ein Pilot ist auch am Boden ein Pilot. Aber Ballack ist nur Kapitän, wenn er spielt.

12:15 Uhr

Er gehört in die lange Riege großer Kapitäne. Hinter Beckenbauer natürlich. Aber ganz bestimmt noch vor Edward John Smith, mit dem sich Michael Ballack, ehemaliger und bald wieder Kapitän der Nationalmannschaft, allerdings das Schicksal großer Fehleinschätzungen teilt. Denn ähnlich wie Smith einen Eisberg nicht kommen sehen wollte, kann sich Ballack nicht vorstellen, an der Zeit zu zerschellen, unterzugehen als unvollendeter Navigator.

Für die Nationalmannschaft, das Flagschiff des DFB, ist ein Kapitän, der mit allen Mitteln an vergangener Größe festhält gefährlich. Deshalb sollte er die Brücke längst verlassen haben. Joachim Löw, Oliver Bierhoff und vor allen Dingen Philipp Lahm wollten Ballack in den Maschinenraum sperren. Doch so einfach verkriecht sich jemand wie Ballack nicht unter Deck. Deshalb trifft sich die Besatzung der Nationalelf heute bei Fischstäbchen in der Oliver Bierhoffs Hausboot-Kajüte, um zu verkünden, was längst schon jeder zu wissen scheint: Michael Ballack bleibt Kapitän. Um 12:20 Uhr entspinnt Joachim Löw eine badische Meile Seemannsgarn.  Mit dabei auch Performance-Künstler Harald Stenger als Eisberg. Gleich geht’s los.

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