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Wer will mich aufhalten? Novak Djokovic zeichnet seine Hingabe zum Tennis aus. Die könnte ihn bis an die Spitze bringen. Foto: Reuters

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Sport: Diät ohne Niederlagen

Der Serbe Novak Djokovic könnte bei den French Open nach sieben Jahren die Ära Nadal-Federer beenden

Oft sind es nur Nuancen, die darüber entscheiden, wer als Gewinner und wer als Verlierer den Platz verlässt. Über besonderes Talent verfügen viele Spieler. Und es ist schon längst keine Garantie für eine erfüllte Karriere. Von so vielen Faktoren hängt der Erfolg ab, doch die wohl entscheidenden sind der unbedingte Wille und die völlige Hingabe. Auf niemanden trifft das derzeit mehr zu als auf Novak Djokovic.

In Paris könnte der 24-jährige Serbe die Machtverhältnisse neu ordnen, mit einem Finaleinzug die Spitze der Rangliste erklimmen und somit auch das Ende der Federer-Nadal-Ära einläuten, die seit sieben Jahren das Herrentennis bestimmt. Djokovic scheint bereit, es ist sein Moment, für den er sein Leben lang alles gegeben hat. Leicht waren die Umstände sicher nicht, als er Anfang der neunziger Jahre mit dem Tennis begann. In der ehemals jugoslawischen Bergregion Kapaonik betrieb sein Vater Srdjan, ein früherer Skiprofi, eine Pizzeria. Gegenüber wurden vier Tennisplätze für die Touristen gebaut, den kleinen „Nole“ zogen sie magisch an. Weit mehr als die Bretter seines Vaters.

Jelena Gencic gab die Tennisstunden und erzählt noch heute, wie Djokovic zum ersten Training eine halbe Stunde zu früh kam. In seiner Tasche war alles drin: Schläger, Handtuch, Trinkflasche, eine Banane und Schweißbänder. Ob seine Mutter die Sachen gepackt hätte, fragte sie ihn. „Nein“, erwiderte der fünfjährige Djokovic, „ich habe im Fernsehen gesehen, was da drin ist.“

Der Amerikaner Pete Sampras hatte es ihm angetan. Und wie unbedingt er ihm nacheifern wollte, zeigte sich, als Djokovic zwölf Jahre alt war und die Nato-Bomben im Zuge des Balkan-Krieges über Belgrad niedergingen. Trotz der Belagerung hörte er nicht auf zu spielen.

Ein ehemaliges Schwimmbad funktionierten sie für ihr tägliches Training um. Dieser Ort war „auch nicht unsicherer als jeder andere in unserer Straße“, berichtete Djokovic. Bis zum Abend war er auf dem Platz. Die Routine half, sagt Djokovic heute, um vor Angst nicht verrückt zu werden. Die Zeit hat ihn geprägt, ihn zu einem eloquenten, jungen Mann gemacht, der sich nicht scheut, seine Meinung zu sagen, und der voller Stolz auf seine Heimat ist.

Dass das auch zu einer Bürde werden kann, merkte Djokovic nach seinen frühen Erfolgen. Mit 18 Jahren stand er bereits unter den besten 100 der Weltrangliste, mit 19 hatte er sein erstes Masters-Turnier gewonnen, mit 20 in Australien sein erstes Grand-Slam-Turnier. 100 000 Menschen empfingen Djokovic danach zur Jubelfeier in Belgrad, mit dem Erwartungsdruck kam er danach nur schwer zurecht.

„Die Fahne ist jetzt größer und schwerer“, sagte er. Obwohl Djokovic in dieser Zeit nie schlechter als Platz vier stand, stagnierte seine Leistung. Sein Kopf war nicht bereit für den nächsten Schritt, sein Körper auch nicht. Immer litt er an etwas, sei es an einem Hitzschlag, einer Allergie oder an Atembeschwerden. Nie waren die Gegner sicher, ob Djokovic simulierte, sein Ruf litt. Nun stellte Djokovic fest, dass er eine Gluten-Allergie hat, seit einigen Monaten setzt er auf eine spezielle Diät seines Ernährungsberaters und hat durch den Verzicht auf Pizza, Pasta und Brot einige Kilogramm verloren.

Vor allem sind die Beschwerden verschwunden, obwohl Djokovic fast zu dünn wirkt. Details darüber verweigert er konsequent, doch seine Beweglichkeit hat sich dadurch verbessert. Und so sehen viele darin einen Grund für die unglaubliche Siegesserie des Serben. Jedes Turnier, zu dem er in dieser Saison antrat, hat er gewonnen, nach seinem Auftaktsieg in Paris steht er bei einer Bilanz von 38:0-Siegen. „Niemand ist unbezwingbar“, sagt Djokovic, aber seitdem er im Dezember Serbien zum Davis-Cup- Sieg geführt hat, hat er das Verlieren offenbar verlernt. Sein Nationalstolz ist wieder mehr Antrieb als Last geworden.

Sein Rivale Rafael Nadal, der fünfmalige French-Open-Sieger, sieht Djokovic' Leistungsexplosion nüchtern: „Wenn man so viel Selbstvertrauen hat, sieht es immer so aus, als hätte man alles verbessert. Ich denke nicht, dass er technisch viel verändert hat. Aber er verteidigt wesentlich besser.“ Diese Qualität brachte Djokovic in Madrid und Rom seine ersten beiden Siege gegen Nadal auf Sand ein. Sowohl Aufschlag als auch Volley hat Djokovic akribisch verbessert, er ist nun ein kompletterer Spieler. „Ich bin jetzt reifer. Es war ein langer Prozess aus Lernen und Hingabe“, sagt Djokovic, „und ich wusste, dass sich das eines Tages auszahlen würde.“ Vielleicht wird dieser Tag der 5. Juni sein, der Finaltag in Paris.

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