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Sport: Die Angst des Doktors

Axel Schulz wird heute irgendwo oben in der Galerie der Stuttgarter Hanns-Martin-Schleyer-Halle über seinem eigenen Memorial thronen und für den Pay-TV-Sender "Premiere" Zensuren an jene beiden Schwergewichtler verteilen, die in seiner Boxkarriere Schicksal gespielt haben: François Botha und Wladimir Klitschko. Diese Boxweltmeisterschaft im Schwergewicht (WBO-Version) zwischen dem Wahl-Hamburger aus der Ukraine und dem Wahl-Kalifornier aus Südafrika verdankt ihre besondere Aufmerksamkeit auch einem der größten Skandale der deutschen Boxgeschichte.

Axel Schulz wird heute irgendwo oben in der Galerie der Stuttgarter Hanns-Martin-Schleyer-Halle über seinem eigenen Memorial thronen und für den Pay-TV-Sender "Premiere" Zensuren an jene beiden Schwergewichtler verteilen, die in seiner Boxkarriere Schicksal gespielt haben: François Botha und Wladimir Klitschko. Diese Boxweltmeisterschaft im Schwergewicht (WBO-Version) zwischen dem Wahl-Hamburger aus der Ukraine und dem Wahl-Kalifornier aus Südafrika verdankt ihre besondere Aufmerksamkeit auch einem der größten Skandale der deutschen Boxgeschichte.

9. Dezember 1995: Es hagelt Sektgläser, Plastikflaschen, Geldmünzen und was sich sonst für das Publikum als Wurfgeschoss eignet. Am Ring geht die feine Gesellschaft in Deckung. Ein Proteststurm von 12 000 Zuschauern fegt durch die Schleyer-Halle. Sie haben Axel Schulz vorn gesehen. Doch die Punktrichter bestimmten Botha im Kampf um die vakante Weltmeisterschaft im Schwergewicht (IBF-Version) zum Sieger. Der WM-Kampf Schulz - Botha hält noch heute mit 18,03 Millionen Zuschauern und einem Marktanteil von 68,0 Prozent den Quotenrekord im deutschen Fernseh-Boxen (RTL). Aber Botha war mit anabolen Steroiden gedopt. Der Titel wurde ihm abgesprochen, das Urteil in "no contest", Kampf ohne Ergebnis, abgewandelt.

Fünfeinhalb Jahre später ist Wladimir Klitschko der hohe Favorit. So wie Axel Schulz im Dezember 1995. Deshalb gibt sich der akademische Champion auch vorsichtig: "Ich werde Botha auf gar keinen Fall unterschätzen. Er ist mit 33 Jahren auf der Höhe seiner Leistungsfähigkeit und im besten Alter für einen Schwergewichtler. Außerdem hat er etwas Wichtiges, das mir fehlt: viel Erfahrung. Botha ist kein Fallobst, ist mental stark und hat sich hervorragend vorbereitet." Ein lucky punch, ein Glücksschlag - und schon kann der Favorit am Boden liegen. Und dann spricht der zum Doktor promovierte Boxer von der "Angst vor einer Niederlage", die nun einmal zum Boxen gehöre. "Und diese Angst habe ich."

In Stuttgart herrscht vor dem Kampf eine angespannte Stimmung. Die Erinnerung an den Kampf Schulz - Botha ist allgegenwärtig. Derselbe Ort, derselbe Gegner, die gleiche Faszination. "Stuttgart steht Kopf", schwärmt Promoter Klaus-Peter Kohl. Was hat François Botha, mittlerweile 33 Jahre alt, noch drauf? Wenn sich der "Weiße Büffel" seine burische Furchtlosigkeit und Kampfmoral trotz der drei K.-o.-Niederlagen gegen die Besten der Branche seit seinem ersten Stuttgarter Auftritt bewahrt hat, wartet auf die neue deutsche Box-Ikone aus Kiew kein gemütlicher Abend.

Den WM-Kampf Bothas (IBF-Version) gegen Michael Moorer im November 1996 brach der Ringrichter in der 12. Runde ab. Gegen Mike Tyson im Januar 1999 hatte Botha jede Runde klar gewonnen, wurde übermütig und ging in der fünften Runde k.o. Doch schon im nächsten Kampf wurde Botha gegen den aufstrebenden Shannon Briggs mit einem Unentschieden krass benachteiligt. Im WM-Kampf (WBC/IBF-Version) gegen Lennox Lewis im Juli 2000 verlor er durch Abbruch in der zweiten Runde. Seitdem hat Botha viermal wieder geboxt - und viermal gesiegt.

Hartmut Scherzer

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