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Sport: Die Befreiung misslingt

Vor der EM galt der Angriff als Prunkstück der Nationalelf – aber auch gegen Österreich will Klose und Gomez nichts gelingen

Die Mysterien des Fußballs sind manchmal unergründlich. Wer das nicht glaubt, kann sich gerne bei Mario Gomez erkundigen. Jenem künftigen Weltklassestürmer aus Deutschland, dem vor der Europameisterschaft kein Ball zu schwer war, um ihn zu einem Tor zu veredeln. Irgendetwas muss mit diesem Gomez passiert sein, seitdem er sein erstes Turnier für die Nationalmannschaft bestreitet. Nicht mal fünf Minuten sind zwischen Deutschland und Österreich gespielt, als dem Stuttgarter ein Ball vor die Füße kommt, den er vor einem Monat noch mit verbundenen Augen über die Linie befördert hätte. Und diesmal? Miroslav Klose tanzt Martin Hiden zweimal aus, passt in den Fünfmeterraum, Gomez aber schafft es, das befreiende frühe Tor nicht zu erzielen.

Der Stuttgarter hat sich während dieser EM in eine sehr belastbare Formkrise gespielt, und so eine Formkrise kennt keine Gerechtigkeit. Gomez hat einfach Pech. Kurz vor seinem rechten Fuß hoppelt der Ball über eine Unebenheit im Rasen, der Stuttgarter erwischt ihn nicht richtig, der Ball macht sich auf einen Parabelflug in den Wiener Himmel, senkt sich Richtung Tor – und landet, bevor er die Linie überquert, genau auf dem Kopf von Österreichs Außenverteidiger György Garics.

Vor dem Turnier schien es gute Gründe dafür zu geben, die deutsche Mannschaft zu den Favoriten auf den Titelgewinn zu zählen. Als eindeutig bester galt die Besetzung im Sturm. Nach den ersten beiden Gruppenspielen aber sah die Bilanz von Klose und Gomez so aus: null Tore, fünf Torschüsse. Zusammen. „Sie müssen ruhig bleiben“, hatte Oliver Bierhoff, der Manager der Nationalmannschaft, vor dem Spiel gegen Österreich gesagt. „Wir haben volles Vertrauen in die Stürmer.“

Dass das kein leeres Gewäsch ist, beweist Bundestrainer Joachim Löw mit seiner Aufstellung gegen Österreich: Entgegen der allgemeinen Erwartung ändert er seine Besetzung im Angriff nicht. Lukas Podolski bleibt im linken Mittelfeld, Klose und Gomez sollen eine weitere Gelegenheit bekommen, einen Eingang in das Turnier zu finden. Es gelingt ihnen nicht. Vor allem Gomez nicht.

„Man merkt, dass Mario sich sehr viel vorgenommen hat“, hat Bierhoff über den besten deutschen Stürmer der abgelaufenen Bundesligasaison gesagt. „In der einen oder anderen Situation wirkt es schon so, dass er viele Dinge auf einmal machen will.“ Aber Gomez gelingen selbst die einfachsten Dinge nicht. Ihm ist jegliches Gefühl für den Ball abhanden. Kurzpässe landen im Nichts, Kopfbälle fliegen ins Aus, und als er einmal zu Beginn der zweiten Halbzeit seinen Körper im Zweikampf gegen seinen Gegenspieler einsetzt, gibt es Freistoß – für Österreich.

Es ist allerdings auch nicht so, dass die beiden Stürmer gegen Österreich reihenweise in Situationen kommen, in denen sie sich die Sicherheit zurückholen könnten. Das deutsche Spiel hat keine Tiefe, ihm fehlt Tempo und Bewegung. Als Miroslav Klose nach einer halben Stunde eine Flanke aufs Tor köpft, ist das sein erster Ballkontakt nach gefühlten 20 Minuten. Dass die Deutschen an diesem Abend und nach diesem Auftritt überhaupt ihr viertes EM-Tor schießen, ist eine Überraschung; dass es zum vierten Mal ein Mittelfeldspieler erzielt, schon weniger.

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