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Sport: Die Beinahe-Blamage

Wie Bayern München sich den Auftritt in Burghausen schönredet

Ingo Anderbrügge, der Trainer des Regionalligisten Wacker Burghausen, hat das tatsächlich ernst gemeint, als er nach der 3:4-Niederlage im Elfmeterschießen gegen den FC Bayern in der ersten DFB-Pokalrunde sagte: „Nächste Woche müssen wir nach Oggersheim, das wird genauso schwer.“ Nur, wie war das nun gemeint: Als Kritik an den Bayern? Oder als Kompliment für die Oggersheimer? Der FSV Ludwigshafen-Oggersheim, das ist eine ordentliche Mannschaft, Vorletzter der aktuellen Tabelle der Regionalliga Süd zwar, aber die Saison ist ja noch jung. Und die Bayern? Auch eine ganz gute Mannschaft, ohne Stürmer zwar, aber die Saison geht ja gerade erst los.

Beinahe wäre sie mit einer Blamage losgegangen für den FC Bayern, so aber waren am Ende alle glücklich: Die Burghausener, weil sie beinahe eine Sensation geschafft hätten, und die Bayern, weil, nun ja, also, warum eigentlich? „Ich bin froh, dass wir zur richtigen Zeit einen Dämpfer bekommen haben“, sagte Bayern-Trainer Ottmar Hitzfeld. So kann man es natürlich auch sehen: Die Bayern haben mal wieder alles richtig gemacht, weil sie so oft am Tor vorbeigeschossen haben, dass sie 120 Minuten lang gefordert wurden, und deshalb nun ganz besonders gut vorbereitet sind für den Saisonstart am Samstag gegen Hansa Rostock. Die andere Sichtweise wäre: Da die Bayern so oft am Tor vorbeigeschossen haben und sich unverhältnismäßig lange 120 Minuten von einem Regionalligisten fordern ließen, muss man sich nun Sorgen machen um die Bayern und ihren Saisonstart.

Als das Spiel längst zu Ende war und Bastian Schweinsteiger vor dem Mannschaftsbus kichernd mit einer hübschen Blondine stand, da trat Oliver Kahn noch einmal vor die Mikrofone und ließ keinen Zweifel, welche der beiden Sichtweisen seine war: „Ich habe den Jungs in der Kabine noch mal gesagt, dass es das Wort ‚verlieren’ beim FC Bayern nicht gibt.“ Damit hatte Kahn einmal mehr wunderbar die Philosophie des FC Bayern umschrieben: Auch wenn wir mal scheitern sollten – die Verlierer sind immer die anderen. Insofern muss man sich vielleicht doch keine Sorgen machen um die Bayern und ihren Saisonstart: Weil sie Meister darin sind, Positives aus einer Beinahe-Blamage zu ziehen. Als da wäre: 120 Minuten ordentlichen bis guten Fußball gespielt, viele Chancen, viele schöne Pässe, ein paar feine Hackentricks. Wenn auch zu viele Hackentricks, wie Kahn anmerkte. Das Spiel sei ihm manchmal „zu schön“ gewesen.

Aber was ist das schon: Schönheit? Im Fußball, das weiß man ja längst, da zählen Tore, nur die Tore. Und dafür, dass haben die Bayern in Burghausen mit viel Anstrengung herausgefunden, sind echte Stürmer eben doch am besten geeignet. Davon aber haben die Münchner derzeit mit Miroslav Klose nur einen konkurrenzfähigen. Luca Toni soll zwar am Donnerstag wieder ins Mannschaftstraining einsteigen, sein Einsatz dürfte zum Bundesligaauftakt aber fraglich sein.

Oliver Kahn dagegen ist fit, klar, irgendwie ist das ja auch seine Pflicht als Titan. „Olli ist seit 2001 überzeugt, dass er in speziellen Situationen über sich hinauswachsen kann“, sagte Hitzfeld. 2001, da ist Kahn im Finale der Champions League beim Elfmeterschießen in die Ecken geflogen wie ein Löwe, der sich auf seine Beute stürzt, und die Bayern wurden Champions-League-Sieger. „Kaaahn! Die Bayern!“, das hat Fernsehkommentator Marcel Reif damals geschrien.

Kaaahn! Die Bayern! Das ist sicher auch eine Erkenntnis vom Montagabend. Fragt sich nur, ob das gut ist oder schlecht.

Wie Burghausens Torwart das Pokalspiel erlebte: Seite 2

Michael Neudecker[Burghausen]

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