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Es heißt jetzt Abschiednehmen. Auch für Islands Aron Gunnarsson.

© dpa

Die beste Turniermannschaft: Kommt gut nach Hause, liebe Isländer!

Das Ende war deutlich und schmerzhaft, doch die Auftritte der Isländer bei diesem Turnier bleiben unvergessen. Wir bedanken uns. Ein Abschiedsbrief an Island.

Isländer!

Das Turnier mag für euch offiziell vorbei sein. Wer ausscheidet, der ist raus und muss nach Hause, so funktioniert ein Turnier eben. Und doch habt ihr in diesen drei Wochen dafür gesorgt, dass wir Skeptiker und Schwarzmaler wieder an das Gute im Fußball glauben durften. Dass wir zu unserer eigenen Verwunderung feststellten, dass es solche Geschichten wie die eure auch im Jahr 2016 noch geben kann. Dass im Fußball, überzüchteten Superstars und Fantasie-Transfersummen zum Trotz, doch noch immer jeder jeden schlagen kann. Das wird euch einen unverrückbaren Platz in der Geschichte der Europameisterschaften einbringen. Manchmal ist das mehr wert als ein Titel.

Island vs. Ronaldo

Da war diese ungestüme Unbekümmertheit, mit der ihr in das Turnier gestartet seid. 1:1 gegen Portugal, gegen Cristiano Ronaldo, der vermutlich mehr wert ist, als sämtliche Stadien und Sportanlagen auf Island zusammen. Ausgerechnet der warf euch nach dem Spiel »fehlende Mentalität« vor und verweigerte den Trikottausch. Welch großartige Steilvorlage – wenn man denn Humor hat. Über den verfügen eure Nationalspieler ganz offensichtlich: sie kauften ihrem Kapitän einfach ein (gefälschtes) Ronaldo-Trikot und ließen das portugiesische Gezeter an sich abprallen.

Es waren nicht nur die Auftritte auf dem Rasen, die euch zum Turnierliebling gemacht haben. Sondern alles, was bei so einem Turnier dazu gehört. Gute Typen auf und neben dem Platz. Faire Auftritte – auf dem Rasen und auf den Tribünen. In eurer Kurve saßen und standen vor allem Familien, man sah viele Kinder, Mütter, Väter, Omas und Opas. Und trotzdem habt ihr es geschafft, dass euer Kampfschrei vermutlich jetzt durch die Stadien der Welt getragen wird. Huh! Weder Spieler noch Zuschauer waren je bei so einem Turnier. Wer neu ist, läuft auch immer Gefahr, von der ungewöhnlichen Erfahrung überrumpelt zu werden. Aber ihr Isländer habt einfach den Spieß umgedreht und Europa – Spieler und Fans – mit eurem Charme und eurer Leidenschaft umgehauen. Und plötzlich will jeder ein wenig Island sein. Bei euch mögen nur 330.000 Menschen wohnen, aber an die paar Millionen neuer Landsleute im Herzen müsst ihr euch wohl gewöhnen.

Spiegel für die Arschgeigen

1:1 gegen Ungarn, 2:1 gegen Österreich, das Achtelfinale gegen England. Was für ein Duell. Das angebliche »Mutterland« des Sports, eine Nation voller Turnierhistorie und großen Geschichten, gegen den Rookie. Nicht nur auf sportlicher Ebene war das ein voller Erfolg für Island. Neben euch, die auf den Rängen feierten (und dabei, trotz der Euphorie, trotz des Familienblocks, nicht in seelenlose Fetenhitsballermannstimmung abdrifteten) wirkte der leider nicht gerade kleine Anteil an Arschgeigen im englischen Gefolge noch lächerlicher, hässlicher, unmenschlicher. Was schön ist, denn manchmal braucht man schon einen Spiegel, um die Idioten zu blenden.

Isländer, eure Fußballer und eure Fans waren die besten Werbeträger, die man sich vorstellen kann. Grüße an die vielen Touristen, die in den nächsten Jahren nach Island kommen werden, weil sie euch im Stadion oder auf Frankreichs Straßen gesehen haben. Vielleicht singt ihr ihnen euer Lied vor. Ég er kominn heim. Ich bin heimgekommen.

In diesem Sinne: Kommt gut nach Hause.

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