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Sport: „Die Chinesen studieren mich“

Europameister Timo Boll über fehlendes Interesse am Tischtennis, Imagefragen und das Gerede der Leute

Herr Boll, Sie hören sich verschlafen an.

Ja, ich bin gerade erst aufgestanden, bei Turnieren halte ich immer gern einen Mittagsschlaf. Nicht zu lange, eine Stunde etwa, sonst ist man zu fertig.

Courmayeur ist ja eigentlich ein bekannter italienischer Wintersportort. Erhoffen Sie sich bei den Europameisterschaften ein großes Zuschauerinteresse?

Nein, ich denke nicht, dass viele Zuschauer kommen werden. Wir Spieler werden eher unter uns bleiben.

Die Europameisterschaft wird vor allem auf Eurosport übertragen, in der ARD und ZDF sind ein paar Beiträge geplant, sind Sie damit zufrieden?

Ja, ich denke, wir sollten damit erst mal zufrieden sein. Tischtennis kommt jetzt viel mehr im Fernsehen als noch vor drei Jahren. Der Deutsche TischtennisBund und mein Manager arbeiten zusammen, sie bemühen sich alle, dass die Präsenz im Fernsehen noch besser wird.

In China kann man jeden Tag Tischtennis live sehen.

Das wäre für jeden Tischtennisspieler natürlich ein Traum, wenn es auch in Deutschland so wäre. Aber mir würde es schon reichen, wenn wir die Position vom Skispringen einnehmen könnten. Das muss unser Ziel sein, auch wenn es schwer zu erreichen sein wird. Fußball können wir natürlich nie verdrängen, aber Nummer drei oder vier in Deutschland könnte klappen .

Was müsste sich vor allem ändern, immerhin gibt es in Deutschland 700 000 Tischtennisspieler und etwa fünf Millionen Freizeitspieler, also viele interessierte Zuschauer?

Es müsste sich ein Sender wie zum Beispiel RTL des Tischtennis annehmen. Und dann mit mehreren Kameras aus verschiedenen Positionen aufnehmen. Tischtennis hat ein großes Potenzial, es könnte sich von einer Randsportart zu einer Mediensportart entwickeln.

Das Image des Tischtennis ist bisher aber wenig spektakulär, eher etwas verstaubt.

Ja, daran müssen wir arbeiten. Tischtennis ist nicht „trendy“ genug. Viele denken: Ein bisschen spielen aus dem Handgelenk, das ist alles. Aber dass der Sport dynamisch, athletisch und sehr trainingsintensiv ist, wissen nicht so viele.

Bekommt man als Nummer eins der Welt überhaupt mit, was Nicht-Tischtennisspieler über Ihren Sport denken?

Na klar, wenn ich mit Leuten rede, die mich nicht kennen und die mich dann fragen, was ich denn so mache. Dann heißt es: aha, Tischtennis-Profi. Und dann machen sie immer eine Bewegung mit dem Handgelenk. Aber es ist schon besser geworden.

Das liegt auch an Ihren aktuellen Erfolgen.

Erfolg ist natürlich am wichtigsten. Und zwar kontinuierlicher Erfolg über zehn bis zwölf Jahre, sonst wird man ja doch wieder vergessen.

Im Moment scheint die Gefahr bei Ihnen nicht zu bestehen. Sie sind erfolgreich und die Medien interessieren sich zunehmend für Sie.

Ja, das Medieninteresse ist in den vergangenen beiden Jahren deutlich größer geworden, im Moment etwa zehn bis zwölf Anfragen pro Woche, hauptsächlich von Zeitungen und Zeitschriften. Ich habe deshalb mittlerweile auch einen Medienberater, der die Anfragen koordiniert.

Im Gegensatz zu Deutschland sind Sie in China ein Star. Die chinesischen Spieler aber fürchten Sie. Wird man Sie bei der EM beobachten, immerhin finden im Mai die Weltmeisterschaften statt?

Letztes Jahr sind die Chinesen sehr oft mit Videokameras gekommen. Mittlerweile haben sie mich aber sehr gut studiert. Aber vielleicht kommt noch einer.

Das Interview führte Jörg Petrasch.

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