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Sport: Die Chinesischen Spiele

Pekings Organisationskomitee hat Olympia längst an sich gerissen. Das Unternehmen Bocog wird vom Staat gelenkt – und ist zum Schweigen verpflichtet

Am Mittwochnachmittag ist dem Fackelläufer Nummer 412 in der Qianmen Allee in Peking etwas Dummes passiert. Er hielt die Fackel nicht exakt gerade, weshalb einer der Begleitläufer aus einer Militärsondereinheit mit seinen schwarzen Handschuhen an die Fackel griff und sie wieder lotrecht rückte. Jedes Bild muss stimmen bei diesem Fackellauf durch China, und das gilt auch für das von Polizei und Sicherheitspersonal bewachte Publikum. Es schreit „Vorwärts China“ und schwenkt rhythmisch unzählige rote Landesfahnen, die kurz zuvor verteilt worden sind. Ab und zu ist auch eine weiße Flagge mit den olympischen Ringen dabei.

Mit den Olympischen Spielen hat der Fackellauf 2008 kaum noch etwas zu tun. „Ich möchte sichtbarer machen, dass das Feuer kein Symbol des Gastgeberlandes ist“, sagte Thomas Bach, Vizepräsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), im Interview mit dem Tagesspiegel. „Es sind keine chinesischen, sondern Olympische Spiele.“ Seit der Internetaffäre im Hauptpressezentrum darf allerdings auch das angezweifelt werden. Weiterhin sind dort nicht alle Internetseiten zugänglich, obwohl das IOC einst „freien und unzensierten Zugang“ versprochen hatte. Nach einem Gespräch mit dem chinesischen Organisationskomitee Bocog spricht es jetzt nur noch von „größtmöglichem Zugang“. Ein Insider sagt über die Verantwortlichen von Bocog: „Es sind ihre Spiele, und die lassen sie sich von niemandem wegnehmen.“

Wer aber sind die neuen Herren der Spiele? Bocog-Chef ist Liu Qi, der im vergangenen Jahr vom Magazin „Time“ zu den 100 einflussreichsten Persönlichkeiten gewählt wurde. Wie alle Verantwortlichen des Organisationskomitees zeichnet ihn eine Karriere in der Kommunistischen Partei Chinas aus. Der ehemalige Pekinger Bürgermeister ist auch Mitglied des Zentralkomitees der Partei und des Politbüros. Bocog residiert in einem 24-stöckigen Hochhaus an der vierten Ringstraße im Norden der Stadt. Besucher dürfen das Herz der Spiele nur nach vorhergehender Anmeldung und einem Check in der Sicherheitsschleuse betreten. Viele der über 4000 Mitarbeiter sind Studenten, Journalisten oder Behördenmitarbeiter, die von ihren Arbeitgebern freigestellt wurden und später in ihre alten Jobs zurückkehren.

Auch Sun Weide will anschließend wieder als Diplomat arbeiten. Während der Spiele ist der klein gewachsene Bocog-Sprecher für die Kommunikation zuständig. Diese funktioniert bei Bocog anders, als man es in westlichen Ländern gewohnt ist. Die Quantität der Informationen ist immens, die Qualität lässt oft zu wünschen übrig. Selbst in der letzten Woche vor den Olympischen Spielen ruft Bocog zu Pressekonferenzen mit den Themen „Pekinger Sportausstellungen und die Musik der Medaillenzeremonien“ oder „der Pekinger Kungfu-Wettbewerb 2008“. Die Pressekonferenzen bestehen aus bis zu 45-minütigen Vorträgen, bei denen beinahe ungeordnet Zahlen und Fakten abgelesen werden. Für Fragen aus dem Publikum bleibt oft nicht mehr viel Zeit. Zwar hat Bocog die PR-Agentur Hill & Knowlton engagiert, um die Kommunikation zu verbessern. Doch deren PR-Managerin Tzyy Wang sagt äußerst vorsichtig: „Manches dauert kürzer, und manches dauert länger.“

Jeff Ruffolo ist einer von wenigen Ausländern, die für Bocog arbeiten. Der ehemalige Mitarbeiter der Kommunikationsabteilung von China Southern Airlines hat den höchsten Rang aller ausländischen Mitarbeiter inne. Der beleibte US-Amerikaner ist für die Betreuung ausländischer Journalisten zuständig. Nach den Olympischen Spielen hat er große Pläne, die er aber nicht exakt veröffentlichen will. „Im nächsten Jahr bin ich Millionär“, sagt er, während er im Hauptpressezentrum einen Hot Dog vernichtet. Doch sein Einfluss bei Bocog ist so gut wie nicht vorhanden.

Anfragen leitet Ruffolo sofort an Bocog-Sprecher Sun Weide weiter. „Fragt mich nicht“, lautet die ständige Aussage des Mannes, der für die Fragen der ausländischen Medien zuständig sein müsste. Es ist auch vorgekommen, dass er einen Gast am Eingang des Bocog-Medienbüros nicht an einer kontrollwütigen freiwilligen Helferin vorbeilotsen konnte. „Ich kenne den Mann“, hatte er gesagt. Das Mädchen antwortete: „Kann ich den Ausweis sehen?“

Bocog ist ein chinesisches Unternehmen, das von der chinesischen Politik gesteuert wird. Der Einfluss der jeweiligen Regierung war auch bei anderen Olympiaorganisationskomitees groß, doch gibt es Unterschiede. „Bei anderen Spielen ist es ein Hin und Her zwischen dem Organisationskomitee und der Regierung, hier werden nur Befehle entgegengenommen“, sagt ein Insider. Das Organisationskomitee hat es bisher allerdings geschafft, perfekte Sportstätten und eine durchdachte Organisation zu stellen. „Es ist in jeder Hinsicht das beste olympische Dorf aller Zeiten“, sagte IOC-Chef Jacques Rogge. Mal sehen, was Bocog sonst noch aus seinen Spielen macht.

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